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Gesundheitsgefahr Polizisten machen sich aus dem Staub

200 Magdeburger Polizisten müssen ihr Revier räumen, weil von diesem eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Wo sie nun unterkommen, ist unklar.

12.10.2016, 01:01

Magdeburg l Nach dem Auszug von 200 Polizisten aus ihren verseuchten Büros im Ausweich-Revier in der Halberstädter Straße stellt sich ab sofort die Frage: Wo kommen die Beamten jetzt unter? Eine Antwort gibt es (vorerst) nicht. Die im selben Gebäude einquartierten Justizmitarbeiter bleiben im Haus.

Etwa 150 Polizisten sowie weitere 50 Mitarbeiter des Reviers Magdeburg waren im August aus ihren Räumen in der Hallischen Straße in das Übergangsquartier an der Halberstädter Straße gezogen.

Der Anlass war eigentlich ein positiver: Ursache für den Ortswechsel war die geplante Sanierung ihrer alten Büroräume. Die Beamtenstuben hatten schon mehrfach für deutschlandweite Schlagzeilen gesorgt.

Die Polizeigewerkschaft hatte dem Revier - sogar zweimal - den Negativpreis „Deutschlands schlechtestes Polizeirevier“ verliehen. Begründung: Undichte, zugige Fenster, marode Heizungen, unsanierte Büros und keine Aussicht auf Sanierung - kurz: Das Revier versprühte bis zuletzt noch DDR-Atmosphäre, wohlgemerkt 26 Jahre nach der Einheit.

Die Beamten waren deshalb froh, dass der Umzug ein Zeichen für die anstehende Sanierung in den alten Räumen war. Was sie nicht wussten: Der Wechsel war wohl einer vom Regen in die Traufe.

Denn schon kurz nach dem Start am neuen Standort klagten die ersten Beamten über Beschwerden. Polizeisprecher Marc Becher: „Auffallend viele Kollegen meldeten Reizungen von Augen und Atemwegen sowie Übelkeit. Der Krankenstand schoss auf 30 Prozent hoch.“ Normalerweise liegt die Krankenrate bei 8 bis 10 Prozent.

Anlass genug für die Behörde, die Vorfälle vom Polizeiärztlichen Zentrum prüfen zu lassen. Das wiederum schaltete das Landesamt für Verbraucherschutz ein, das ein Gutachten erstellte und es am Freitag vorlegte.

Sprecher Marc Becher: „Auf Grundlage des Gutachtens war von einer akuten Gesundheitsgefahr auszugehen, so dass aus der Fürsorgepflicht der Behörde gegenüber den Mitarbeitern der Auszug am Dienstag angeordnet wurde.“

Einzelheiten zu den Ursachen wurden nicht genannt. Nach Volksstimme-Informationen soll es sich um gesundheitsgefährdenden Staub handeln, der aus der Decke in die Büros rieselt. Worum es sich dabei handelt, ist bisher nicht bekannt.

Polizei und Landesamt für Verbraucherschutz konnten am Dienstag keine Details nennen. Klar ist nur, das Gebäude an der Halberstädter Straße war vom Bau- und Liegenschaftsmanagement des Landes gekauft worden, um es als Ausweichquartier bereitzustellen.

Jetzt sind zumindest die Polizisten offenbar in ein noch schlechteres Revier gezogen, denn die alten Büroräume waren zwar stark modernisierungsbedürftig, aber zumindest nicht in dem Maße gesundheitsschädigend wie die Übergangsbüros.

Wie es nun weitergeht, ist bisher unklar. Im Vordergrund steht die Suche nach Räumlichkeiten. „Aber wo bekommt man schon praktisch über Nacht auf einen Schlag 200 Beamte unter, ganz zu schweigen vom Mobiliar und der Technik“, fragt sich nicht nur Polizeisprecher Marc Becher.

Ein Zurück in die alten Räume des „schlechtesten Polizeireviers Deutschlands“ kommt auch nicht infrage. Das muss wohl saniert werden. Außerdem werden vermutlich neue Möbel benötigt, weil die alten aus dem Ausweichquartier mit dem gefährlichen Staub kontaminiert sind.

Als Notlösung zur Unterbringung der Beamten werden aktuell verschiedene vorhandene Kapazitäten im Ministerium für Inneres und Sport sowie im Technischen Polizeiamt geprüft, sagte Anja Grothe vom zuständigen Finanzministerium.

In dem betroffenen Gebäude sind aber derzeit nicht nur Polizisten untergebracht, sondern in den oberen Etagen auch Richter, weil das Landgericht ebenfalls saniert wird. Nur werden die Richter erst mal nicht ausziehen. Das bestätigte Detlef Thiel, Sprecher des Justizministeriums.Grund seien unterschiedliche Gutachten.

Während das Landesamt für Verbraucherschutz für den unteren Teil des Gebäudes von einer akuten Gesundheitsgefahr ausgeht, gilt das offenbar nicht für den oberen Teil der Immobilie. Zu diesem Urteil kommt das Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA), das keine Gefahr für die Gesundheit erkennen konnte. Laut Justizministerium gibt es auch unter den Richtern keinen erhöhten Krankenstand.

Trotzdem sorgt das Polizei-Gutachten bei der Belegschaft des Landgerichts für Unruhe. „Wir wollen in kürzester Zeit klären, wie es zu der unterschiedlichen Bewertung kommen kann“, sagte Thiel. Das BLSA hat aus diesem Grund ein zweites Gutachten anfertigen lassen, das in der Methodik dem des Landesamtes für Verbraucherschutz ähnelt und auf Luftproben basiert. Ergebnisse werden für Ende der Woche erwartet.

Wie ist das Revier jetzt zu erreichen?
Vorerst ist der Revierkriminaldienst Magdeburg für die Öffentlichkeit unter der Service-Telefonnummer 546 22 22 erreichbar.

Wo können Anzeigen persönlich aufgegeben werden?
Nach wie vor ist das im Revier Magdeburg in der Hallischen Straße 3 möglich. Für den Bürgerservice und die persönliche Anzeigenaufnahme ist dort ein Büro besetzt.

Ist die Anzeigenaufnahme per Internet betroffen?
Nein, das ist weiterhin uneingeschränkt möglich unter www.polizei-web.sachsen-anhalt.de/das-sind-wir/polizei-interaktiv/revier

Mit welchen Verzögerungen muss gerechnet werden?
Der Betrieb läuft weiter, aber in einigen Bereichen eingeschränkt, sagt Polizeisprecher Marc Becher. Das betreffe vor allem praktische Dinge wie bereits geplante Vorladungen und Termine in dem jetzt leergezogenen Objekt. Zudem kann es sein, dass nicht zu allen laufenden Verfahren sofort alle Vorgänge griffbereit sind, die Verfahren selbst liefen aber natürlich grundsätzlich weiter.