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Industrieruine Spurensuche in ehemaliger Lackfabrik

Anfang der 1990er Jahre kam das Aus für die Fabrik zwischen Harsdorfer Straße und Olvenstedter Chaussee in Magdeburg. Eine Spurensuche.

Von Martin Rieß 21.08.2016, 08:00

Magdeburg l Anstelle der früheren Fabrik für Lacke und Farben in der Harsdorfer Straße soll entlang des Europarings ein kleines neues Viertel entstehen. Nach einem Bericht in der Volksstimme meldete sich Hans Medrow in der Redaktion: Jahrzehnte hatte der Chemiker im Ruhestand bei dem Magdeburger Unternehmen gearbeitet, einige Jahre auch an dem Standort in der Harsdorfer Straße.

In Abstimmung mit der FRTG in Düsseldorf, die die Interessen der Investoren vertritt, besuchte Hans Medrow nun das Gelände. Er sagt: „Ich brauche hier eine Karte, um mich zu orientieren.“ In den Jahren seit der Schließung der Produktionsstätte hat sich das Gelände in einen vergessenen Ort verwandelt, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Wildblumen und Bäume haben Teile des Geländes längst überwuchert. „Wer auch immer hier in den vergangenen Jahren gewesen ist, hat ganze Arbeit geleistet.“ Denn von den meisten Maschinen und Apparaten, von Material und den Erzeugnissen fehlt jede Spur. Nur in wenigen Räumen zeugen einige umgestürzte Regale vom früheren Leben. In der Kantine hängen Verkleidungen von der Decke, an anderen Stellen fehlen Teile in Treppen. In einigen Räumen liegen Flaschen und Spraydosen, in anderen Bereichen zeugen einzig eingeschlagene Fensterscheiben vom Besuch ungebetener Gäste.

Die Ironie der Geschichte der Fabrik für Lacke und Farben: In den vergangenen Jahren haben sich hier unzählige Graffiti-Sprayer betätigt. Chemiker Hans Medrow sagt: „Ich möchte gar nicht wissen, wie viel die Unmengen an Farben, die hier an den Wänden sind, gekostet haben.“ In dem langgestreckten Gebäude zum Europaring hin, das ebenso wie viele der benachbarten Häuser Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet wurde, sucht er in der ersten Etage nach seinem ehemaligen Arbeitsraum. „Hier könnte es gewesen sein“, sagt er in einem Zimmer, in dem Besucher ihre Flaschen haben liegen lassen. Zuletzt hatte der Chemiker an der Technik von Tonern für Drucker gearbeitet, die aber mit der Konkurrenz aus Japan nach der Wende 1990 keine Chance mehr hatte.

Nachdem zu DDR-Zeiten auf dem Gelände an der Harsdorfer Straße Lacke und Farben nach sehr hohen Qualitätsansprüchen u. a. für Carl Zeiss produziert wurden, stand nach der Wende die Herstellung von einfacheren Produkten für den Endverbrauchermarkt auf dem Programm. Mit dieser Ausrichtung konnte sich der Magdeburger Produktions-standort nicht auf dem Markt behaupten, so dass kurze Zeit nach der Privatisierung das Aus kam. Zuvor waren noch Pläne erstellt worden, wie das Gelände weiterentwickelt werden soll. Unter anderem ist in alten Zeichnungen zu erkennen, dass große Freiflächen als Parkplatz für die Fahrzeuge der Mitarbeiter genutzt werden sollten.