KrankentransportTaxifahrer in Magdeburg besteht auf Bares
Heinz Zwickert fuhr per Taxi zum Augenarzt. Trotz ärztlicher Verordnung für den Krankentransport blieb der 83-Jährige auf den Kosten sitzen.
Magdeburg l Es ist der 30. Januar 2017. Kein Tag, an dem Heinz Zwickert sonst einen Fuß vor das Haus gesetzt hätte. „Draußen war es glatt und es gab Schneeregen“, erinnert sich der 83-Jährige, der gehbehindert und schwerhörig ist und sein Augenlicht fast vollständig verloren hat. Das linke Auge ist erblindet. Auf dem rechten Auge besitzt der Rentner nur noch 5 Prozent Sehkraft.
Ohne seine Frau Erika als Begleitung kann der schwerbehinderte Mann nicht mehr seine Wohnung in Reform verlassen. Deshalb war er auch froh, dass ihm seine behandelnde Augenärztin für den Termin am 30. Januar einen Krankentransport per Taxi verordnet hatte. Doch dann erlebte Heinz Zwickert etwas, womit er überhaupt nicht gerechnet hatte. „Der Taxifahrer lehnte es ab, uns auf Grundlage dieser Verordnung zu fahren“, erinnert sich Heinz Zwickert. Er habe schon häufiger Probleme gehabt, sein Geld von der Kasse erstattet zu bekommen, so argumentierte der Taxifahrer. Zwickert und seine Frau sollten bar zahlen oder wieder aussteigen. Eine unangenehme Situation vor Ort für den schwerbehinderten Mann.
„Wir haben dann bar bezahlt, die Kosten aber auch später nicht von der Kasse erstattet bekommen“, berichtet der Rentner weiter. Er legte Widerspruch bei seinem Versicherer, der Techniker Krankenkasse (TK), ein. Darin verwies er auch auf den TK-Infobogen zu Fahrkosten, wo u. a. vermerkt ist, dass der Arzt prüfe, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Krankenfahrt vorlägen. Genau das hatte die behandelnde Ärztin so gesehen und die Verordnung für Herrn Zwickert ausgestellt. Für eine spätere Behandlung wiederum bei dieser Augenärztin in der Magdeburger Altstadt hat der Patient vorab um Genehmigung der Krankenfahrt bei der TK gebeten. Aber auch das wurde abgelehnt.
Die Volksstimme hakte nach. Wer entscheidet nun, ob z. B. ein Taxi als Krankentransport nötig ist und die Kosten dafür übernommen werden? Der Gesetzgeber hat dazu klare Regelungen getroffen und diese in den Krankentransport-Richtlinien festgelegt.
Hier steht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die gesetzlichen Krankenkassen die Fahrtkosten ersetzen können. „Die Fahrt muss medizinisch notwendig und ärztlich verordnet sein und zudem mit einer Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung zusammenhängen“, sagt Jens Hennicke, Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen-Anhalt. Das gelte unter anderem für Rettungsfahrten ins Krankenhaus, Krankentransporte mit Krankenwagen oder Fahrten aufgrund ambulanter Operationen nach Paragraf 115 b des Sozialgesetzbuches V.
Bei ambulanten Behandlungen ist die Kostenübernahme allerdings sehr eingeschränkt. Sie sei „nur in Ausnahmefällen möglich“, erklärt Hennicke. Solche Ausnahmen liegen z. B. bei Fahrten zur Dialyse und zur onkologischen Chemo- oder Strahlentherapie bzw. für Versicherte mit einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung, Einstufung in die Pflegegrade 4 oder 5, vor. Auch bei einer Schwerbehinderung mit den Merkzeichen „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „Bl“ (blind), „H“ (hilflos) oder bei vergleichbaren Gründen könne man mit einer Übernahme der Beförderungskosten durch die Kasse rechnen.
Bedingung für eine Kostenübernahme sei aber generell, dass sich der Versicherte in einer der beiden nächsterreichbaren Einrichtungen behandeln lässt oder vom Arzt direkt zu einem weiter entfernten Behandlungsort überwiesen wird. „Sind diese Kriterien nicht erfüllt, weil etwa eine besondere Wunschpraxis gewählt wurde, kann es tatsächlich zu Kürzungen bei einer Direktabrechnung kommen“, sagt Jens Hennicke von der TK. Um dies zu vermeiden, würden die Verordnungen daher häufig vorab zur Prüfung bei der TK eingereicht. „Wenn die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, können wir – ebenso wie andere gesetzliche Krankenkassen – die Beförderungskosten leider nicht tragen“, so Hennicke.
Den Fall Heinz Zwickert sahen sich die TK-Mitarbeiter auf Bitten der Volksstimme noch einmal an. Eine Rücksprache mit der Arztpraxis habe dann ergeben, dass es sich bei der Behandlung nicht um eine ambulante Operation gehandelt habe. Daher wäre die ärztliche Verordnung bei einer vorherigen Prüfung abgelehnt worden.
Jens Hennicke sagt aber: „Aufgrund der besonderen Situation von Herrn Zwickert, insbesondere aufgrund der uns bis dato nicht bekannten nahezu vollständigen Erblindung, werden wir unserem Versicherten die verauslagten Taxikosten jedoch als Einzelfall und ohne Auswirkung auf künftige gleichgelagerte Sachverhalte erstatten.“ Ein Entgegenkommen der Kasse also, über das sich Heinz Zwickert freuen kann.
Und es könnte sogar noch eine generelle Lösung für ihn geben, denn Jens Hennicke erklärt weiter: „Parallel haben wir den Medizinischen Dienst der Krankenkassen um eine Prüfung für künftige Fahrten gebeten. Hintergrund ist, dass uns aufgrund der hohen Sehbehinderung eine generelle Erstattung von Fahrtkosten in Zusammenhang mit GKV-Leistungen möglich ist, wenn eine entsprechende Anerkennung als Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen Bl (blind) vorliegt.“
Hier bleibt das Ergebnis noch abzuwarten, doch immerhin wird die Situation von Heinz Zwickert noch einmal geprüft.
Auch für die Taxifahrer ist es besser, wenn die Kostenübernahme vor Antritt der Fahrt wirklich geklärt ist, weiß Thomas Henschel, Vorsitzender des Stadtverbandes der Taxiunternehmen. Er bestätigt die Aussagen der TK. Bei Fahrten nach stationären Aufenthalten im Krankenhaus und mit ärztlicher Verordnung gebe es seiner Erfahrung nach keine Probleme mit der Kostenerstattung.
Anders bei Fahrten zu ambulanten Behandlungen. „Hier reicht die ärztliche Verordnung nicht aus“, betont Henschel. Patienten müssten dazu die Bewilligung der Krankenkasse einholen. Außerdem rät er, vorab nach Taxifahrern zu fragen, die den Rahmenvertrag für die Krankenbeförderung mit den Kassen abgeschlossen haben. Das sei bei etwa drei Viertel der Taxifahrer in der Stadt der Fall. Aber eben nicht bei allen.