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Kunstfestival Keiner kommt mehr in den Knast

Am Wochenende gingen ein letztes Mal die Türen zur alten JVA auf. Das Kunstfestival "Die neue Sinnlichkeit" endete.

Von Karolin Aertel 21.09.2015, 01:01

Magdeburg l Die Türen zum „Knast“ sind zu. Nach knapp vier Monaten endete am vergangenen Wochenende das Kunst- und Performancefestival „Die neue Sinnlichkeit“ in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt.

Gut 140 Veranstaltungen liegen hinter Karsten Steinmetz, Mitvorsitzender des organisierenden Kulturanker e. V.. Er sieht nach allen Höhen und Tiefen, die hinter ihm und seinen Mitstreitern liegen, erschöpft aus. Plötzliche Auflagen des Ordungsamtes, nur alle zwei Wochen Freiluftveranstaltungen durchführen zu dürfen, bereiteten schon zu Beginn der Veranstaltungsreihe Kopfzerbrechen. Unwetter und die kleinen Unwägbarkeiten taten ihr Übriges. Und doch „schmerzt das Ende in der Brust“. Man gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und mit der Erkenntnis, „dass man sich selbst an so einem Ort, in einem Gefängnis, wohlfühlen kann“.

Rund 25 000 Besucher zählte die Sinnlichkeit im Knast. Keine Frage, ein großer Erfolg. Besonders überrascht seien die Veranstalter über das Interesse an den Führungen durch die ehemalige JVA gewesen. Anfangs bot Justizvollzugsbeamtin Kathrin, die bis zur Schließung 2013 in der JVA gearbeitet hat, eine Führung am Wochenende an. Zum Schluss waren es drei, „selbst sonntags“.

Über Einnahmen und Ausgaben möchte Steinmetz nicht bilanzieren. Die abgesagten Freiluftveranstaltungen waren der finanziellen Situation jedenfalls nicht zuträglich. „Gut, dass wir immer versuchen, sehr konservativ zu rechnen.“ Und gut, dass sie u. a. mit Land und Stadt, Lotto, SWM, Ösa und der Sparkasse Unterstützer haben.

Letzte haben sogar gemeinsam mit ihnen und der Neuen Schule einen eigenen Kinder- und Jugend-Kunstpreis ausgelobt. Zum Thema „Auf leisen Sohlen“ konnten sich junge Kreative mit einem selbst gefertigten Kunstobjekt bewerben. Es galt einen Schuh umzugestalten.

45 Einsendungen zählten die Veranstalter. Zu vergeben war ein Jury- und ein Publikumspreis, deren Gewinn jeweils ein Workshop mit dem Magdeburger Künstler Max Grimm war. Die Entscheidung über die Sieger des Kunstpreises ist am Sonnabend verkündet worden. Mit 25 Prozent aller Stimmen des Besuchervotings gewann Carla Weckwerth (14) den Publikumspreis. Ihr Schuh „Die schleichende Bedrohung“ ähnelte einem grünen Drachen und sei ohne Konzept entstanden, erklärt sie. „Ich habe einfach angefangen und nach und nach wurde das daraus.“

Eine Idee, was aus ihrem Schuh werden sollte, hatte hingegen die elfjährige Rosa Langner, die den Jury-Preis gewann. „Mit Volldampf voraus“ nannte sie ihren „Treter“, der zum blauen Dampfer wurde. Nur was die Idee entflammte, ob eine vorherige Dampferfahrt, ein Buch, Bild, Film oder Traum, wusste sie nicht mehr. „War halt einfach so ‘ne Idee“, erklärte sie den Juroren, die sich zuvor in der Jurysitzung über die Aussage und Inspiration der jungen Künstlerin Gedanken machte. Auch wenn Rosa kein tiefgründiges Interpretationsangebot für ihren Schuh hatte, zeigte sich Mathias Geraldy überrascht von der Kreativität aller jungen Künstler: „Es ist erstaunlich, wie stark sie schon transformieren können und welche Qualität die Arbeiten haben.“

Das bestätige ihn darin, den Preis im kommenden Jahr wieder auszuloben. Denn auch 2016 wird es wieder ein Kunstfestival geben, verriet Steinmetz. Unter welcher Überschrift und an welchem Ort wolle er noch nicht verraten. Nur, dass es kleiner werde als die Sinnlichkeit. Die gedanklichen Vorbereitungen gebe es bereits. „Nach dem Festival ist vor dem Festival.“