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Magdeburger 2016 Löwen-Mama: Ein Sommer im Ausnahmezustand

Mit Hingabe hat Julia Forst zwei Löwenbabys mit der Hand. Sie ist nominiert für die Wahl zum "Magdeburger des Jahres 2016".

Von Peter Ließmann 30.11.2016, 00:01

Magdeburg l Die beiden Löwenkinder springen in ihrem Gehege aufgeregt hin und her. Sie haben Julia Forst durch die Gitterstäbe hindurch entdeckt - ihre „Mama“. Seit 14 Tagen haben sich die drei nicht mehr gesehen, denn Julia Forst arbeitet im Rahmen eines Mitarbeiteraustauschs in einem Zoo in der Schweiz. Dann dürfen die beiden Löwen-Mädchen ins Schaugehege, wo Julia Forst auf sie wartet. Dort gibt es kein Halten mehr, das große Schmusen beginnt. Die beiden Löwenkinder bestürmen Julia Forst regelrecht. Das ist für die Tierpflegerin nicht ganz ohne Kraftaufwand zu „überstehen“, denn die „Kätzchen“ sind mittlerweile so groß wie ausgewachsene Bernhardinerhunde. „Die beiden haben sich wirklich sehr gut entwickelt“, freut sich Julia Forst.

Dabei verliefen die ersten Lebenswochen der beiden sehr dramatisch. Geboren wurden sie im Magdeburger Zoo am 26. April. „Wir waren alle sehr überrascht, denn niemand wusste, dass unsere Löwin trächtig war“, erinnert sich Julia Forst. „Als wir morgens ins Gehege kamen, lagen die beiden in einer Ecke und wurden von ihrer Mutter auch betreut.“ Die Löwin und ihre Zwillinge werden in eine Wurfbox geführt, wo sie ihre Ruhe haben. Am Anfang verlief auch alles normal. „Dann haben wir gesehen, dass die Babys viel zu agil waren. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sehr hungrig sind, weil sie nicht gesäugt werden.“ Als die Babys untersucht wurden, stellte sich heraus, dass sie viel zu wenig Gewicht hatten und auch eine deutlich zu geringe Körpertemperatur. Schnell war klar: Um sie zu retten, mussten sie mit der Hand aufgezogen werden. „Ich habe gleich gesagt, dass ich das übernehmen kann.“ Julia Forst weiß, worauf sie sich dabei einlässt: auf einen 24-Stunden-Job mit vollem Einsatz. „Eine Handaufzucht von Löwen ist für das ganze Pfleger-Team eine sehr aufwendige Angelegenheit, denn für mehrere Wochen fällt der Betreuer für die tägliche Arbeit fast komplett aus. Ich konnte das auch wirklich nur machen, weil meine Kollegen mir den Rücken freigehalten und meine Arbeit übernommen haben.“

Für die „Löwen-Mama“ beginnt ein Leben im Ausnahmezustand. Erst müssen die Kleinen an die Milchflaschen gewöhnt, dann müssen sie alle zwei Stunden rund um die Uhr gefüttert werden. Julia Forst nimmt sie jeden Abend mit zu sich nach Hause. Sie wohnt in der Nähe des Zoos, was die Sache erleichtert. Am Anfang schlafen die Kätzchen noch viel in ihrer Transport-Box. Und sie gedeihen prächtig. Die Folge: Sie wachsen natürlich. Erst kann Julia Forst sie in einer großen Kiste unterbringen, dann wird die Küche „löwenkindgerecht“ hergerichtet, dann das Wohnzimmer. Ihre Hündin konnte sie für die Löwenzeit bei ihrer Freundin einquartieren. „Aber eigentlich haben sie gar nicht so viel in meiner Wohnung kaputt gemacht.“

Am Arbeitsplatz geht das ungewöhnliche Leben dann weiter, denn die Löwenbabys entwickeln sich schnell zu Publikumslieblingen. Fernsehteams geben sich die Klinke in die Hand, um über den süßen Löwennachwuchs zu berichten, Pressetermine werden anberaumt, sogar in der Stern-TV-Talkshow ist Julia Forst mit ihren Löwen zu Gast. So hat das ungewöhnliche Trio für den Magdeburger Zoo auch ordentlich die Werbetrommel gerührt. Und wenn sie mit ihnen im Gehege spielt, sind fast immer Zuschauer hinter den Glasscheiben mit dabei. „Klar fühlt man sich sehr beobachtet, aber irgendwann habe ich das einfach ausgeblendet, denn es ist natürlich auch sehr schön, wenn sich die Menschen für den Zoo interessieren.“

Nach ein paar Monaten beginnt sich aber dann doch das Leben von Julia Forst wieder zu normalisieren. Die beiden Löwenkinder kommen immer länger ohne sie aus, was bedeutet, dass sie sie nicht mehr mit nach Hause zu nehmen braucht. „Hilfreich dabei war, dass es Zwillinge sind. Die haben sich gegenseitig und lernen auch sehr viel voneinander. Das hat die Gefahr deutlich verringert, dass sie fehlgeprägt werden, also sich zu sehr am Menschen orientieren und nicht zu richtigen Löwen werden.“

In einer Abstimmung haben die Magdeburger die beiden weißen Löwinnen „Shaira“ und „Jasiri“ getauft. „Ich habe sie immer ,kleine Nase‘ und ,große Nase‘ genannt. So konnte ich die Zwillinge immer gut auseinanderhalten“, erzählt Julia Forst. Zurückblickend sagt sie, dass die Handaufzucht der beiden Löwen eine tolle Erfahrung war. „Ich habe dabei viel gelernt, ich würde es wieder machen.“ Das ist mit Sicherheit nicht nur so dahergesagt. Julia Forst ist Zootierpflegerin aus Leidenschaft. „Ich wollte das schon immer werden. Als ich nach der Realschule nicht gleich einen Ausbildungsplatz bekommen habe, habe ich mich für nichts anderes beworben, sondern erst einmal Abitur gemacht.“ Neben der Schule absolvierte sie Praktika im Münchner und im Stuttgarter Zoo und natürlich auch im Magdeburger Zoo, wo sie ihre Ausbildung dann beginnen konnte. Auch eine Tierauffang-Station in Vietnam hat sich Julia Forst schon angesehen. „In solch einer Station würde ich gern einmal arbeiten“, blickt sie in die Zukunft.

„Ihre“ Löwenkinder werden übrigens nicht lange in Magdeburg bleiben. „Mit den beiden wäre die Gruppe der Weißen Löwen hier zu groß. Ich wünsche mir, dass für sie zwei nette Kater gefunden werden.“ Wer sich die beiden Schwestern anschaut, hegt daran keinen Zweifel: Es sind ausgesprochen schöne Tiere.

Hier können Sie über den "Magdeburger des Jahres 2016" abstimmen.