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Ostern Magdeburg stattet Kirchen aus

Gudrun Willenbockel aus Magdeburg fertigt Textilien für Kirchen an.

Von Michaela Schröder 15.04.2017, 01:01

Magdeburg l Ein edler Stoff, intensive Farben, der kirchlichen Jahreszeit entsprechend: Die Paramente, kostbare Stoffe auf Altar und Kanzel, gehören auch zu Ostern zum unverzichtbaren Schmuck beim Gottesdienst. Seit 40 Jahren fertigt Gudrun Willenbockel diese textilen Kunstwerke für Kirchenräume an. Derzeit arbeitet die in der Altmark aufgewachsene Pfarrerstochter an einem klassischen „Zweiteiler“ in drei liturgischen Farben für Altar und Kanzel für die Pfarrkirche Altglienicke in Berlin. Rund 80 Stunden reine Webzeit stecken in einem kaum ein Quadratmeter großen Stück Stoff. Doch das ist nur ein Bruchteil der Arbeit.

„Ich lege darauf Wert, dass ich mir beispielsweise für ein Parament auch den Raum ansehe, wo das Stück künftig seinen Platz erhalten soll. Begutachte die Farb- und Lichtverhältnisse“, erzählt Gudrun Willenbockel. Bevor sie sich an Webstuhl oder Stickrahmen setzt, bespricht sich die Paramentikerin mit den Gemeindevertretern, fertigt verschiedene Entwürfe, manchmal auch Webproben an. Egal, welche Technik zum Einsatz kommt – viel Arbeit steckt immer in den Paramenten. „Manche sind in 100 Stunden fertig, aber für die meisten braucht es deutlich länger“, erzählt sie. Jede Kirche bekommt ihren einzigartigen Altarbehang.

Neben handwerklichem Geschick sind Kenntnisse über Formen, Farben, Muster und Materialien der Tradition unerlässlich so Gudrun Willenbockel. Für die Arbeit brauche man feinmotorische Fähigkeiten. „Und das Wissen um christliche Symbole und den theologischen Gehalt der Feste“, so Gudrun Willenbockel. Denn im Laufe des Kirchenjahres sind verschiedene Farben für die Gottesdienste bestimmt. Zu Ostern sind sie weiß oder gelb. Die Farben stehen für das Licht der Auferstehung Jesus.

Seit 1977 übt die 56-Jährige ihr Handwerk auf dem Gelände der Pfeifferschen Stiftungen aus. Ihre Werkstätte wirkt auf den ersten Blick ganz unscheinbar, ein wenig versteckt. Doch was hier geschaffen wird, ist echte Tradition. Gudrun Willenbockel setzt das Erbe der Paramentenherstellung in den Pfeifferschen Stiftungen fort. Ihre Ursprünge hat die Werkstatt im Jahr 1949.

Damals begannen Diakonissen, das alte Kunsthandwerk aufleben zu lassen. Bis 1999 wurden die Textilarbeiten unter ihrer Regie hergestellt. Gudrun Willenbockel absolvierte hier die Ausbildung zur Paramentikerin. Drei Jahre lang lernte sie bei den Diakonissen unter anderem Weben und Färben, Weiß- und Buntsticken; sie beschäftigte sich mit Kirchenkunde, Kirchengeschichte und Symbolik. „Wir waren bis zu acht Mitarbeiterinnen und hatten immer gut zu tun“, erinnert sich die Magdeburgerin, die sich auch als ehrenamtliche Kirchenmusikerin engagiert.

Die individuelle Textilkunst von Gudrun Willenbockel entsteht noch heute an den alten Webstühlen aus den 1950er Jahren. Die Handwerksmeisterin setzt auf die traditionelle Handarbeit. Nur sehr selten nutzt sie die Nähmaschine. „Handstiche ermöglichen in vielen Fällen ein genaueres Resultat und eine unauffälligere Naht.“ Der Stoff, der so durch Gudrun Willenbockels Hände geht, wird zu etwas Besonderem. Paramente seien keine Konfektionsware, sondern stets Unikate.