Platznot Kitas am Limit

Mehr als 500 Kita-Plätze sollen in Magdeburg bis 2018 neu geschaffen werden. Die rund 10 000 vorhandenen Plätze sind weitgehend belegt.

Von Katja Tessnow 21.08.2016, 08:00

Magdeburg l Die Sozialbeigeordnete Simone Borris räumte selbst ein, dass die neue Kita-Strukturplanung dem Abgleich mit der Realität nicht ganz standhält. Während ihr Dezernat mit der Schaffung neuer Plätze der gestiegenen Geburtenrate Rechnung zollt, bleiben Flüchtlingskinder noch außen vor. Borris: „Die Zuwanderung war nicht umgehend berücksichtigungsfähig. Es ist unmöglich, darauf in der Kita-Planung ad hoc zu reagieren.“ Bautätigkeit brauche eine gewisse Zeit. „Wir können nicht zaubern“, wurde Oberbürgermeister Lutz Trümper im Laufe der Debatte noch deutlicher. Von heute auf morgen seien keine neuen Kitas aus dem Boden zu stampfen.

Zur Lage: Obwohl die Stadt in den vergangenen drei Jahren durch Neu- und Ausbauten, die Genehmigung weiterer Tagespflegestellen und die Erschließung aller verfügbaren Kapazitäten in bestehenden Kitas rund 1900 neue Kita-Plätze erschlossen hat, herrscht akute Enge in den Häusern. Eine Auslastungsstatistik aus dem Sozialdezernat weist 2015 und Anfang 2016 Belegungsquoten von regelmäßig 98 bis 100 Prozent (monatlich schwankend) aus. Sie weisen die Komplettauslastung aller Magdeburger Kitas nach.

Borris’ Fazit: „Es sind 500 neue Plätze in zwei Jahren nötig. Wir planen Neubauten in verkehrsgünstiger Lage.“ Für die Kinder von Asylbewerbern und Flüchtlingen will die Stadt vorerst keine Kita-Plätze, sondern „Brückenangebote zur begleitenden Betreuung“ schaffen, wenn die Eltern Sprach- oder Integrationskurse besuchen.

Bei der Kinderbeauftragten Katrin Thäger, der Gleichstellungsbeauftragten Heike Ponitka, bei Linken, Grünen und bei Sozialarbeitern in der Flüchtlingsbetreuung stößt die mit Kapazitätsgrenzen begründete Ausgrenzung der Flüchtlingskinder aus der Kita auf herbe Kritik. Thäger erinnert an den Rechtsanspruch auch der Flüchtlingskinder auf einen Kita-Platz und berichtete von regelmäßigen Hilfeersuchen auch deutscher Eltern und Großeltern bei der Suche nach einem Kita-Platz. „Es handelt sich hier aber nicht um einen Wunsch, sondern um einen Rechtsanspruch.“ Die Gleichstellungsbeauftragte mahnt die Schaffung von Kapazitäten auch für Flüchtlingskinder dringend mit Blick auf deren Integration und die ihrer Eltern an. Auch die Integrationsbeauftragte Polina Ivanova beschrieb den Mangel an Kita-Plätzen später in ihrem Jahresbericht als ein vordringliches Problem vieler Migrantenfamilien.

„Ich kann nicht einer deutschen Mutter sagen, dass kein Platz da ist, aber Flüchtlinge in den Kitas unterbringen“, konstatierte OB Trümper und zog damit Empörung von Linken und Grünen auf sich. Tom Assmann (Grüne): „Ich finde es sehr unpassend, dass der Oberbürgermeister hier im Stadtrat versucht, deutsche und nichtdeutsche Kinder und deutsche und nichtdeutsche Mütter gegeneinander auszuspielen.“ Sie alle hätten die gleichen Rechte in Sachen Kita-Betreuung: „Wir sollten also einfach die maximal mögliche Anzahl neuer Kitaplätze schaffen.“

Aus der Linksfraktion kam schließlich ein Ausbauvorschlag, der über das von der Verwaltung vorgeschlagene Maß hinausging. Die Linke forderte die mittelfristige Schaffung einer 5-prozentigen Platzreserve, um unkalkulierbare Schwankungen zum Beispiel durch Zuzug abdecken zu können und um Eltern wieder in die Lage zu versetzen, von ihrem Wunsch- und Wahlrecht Gebrauch zu machen.

„Unrealistisch und nicht umsetzbar“, nannte CDU-Mann Wigbert Schwenke, Vorsitzender der Fraktion CDU/FDP/BfM, die Forderung. Verwaltung und SPD stellten das gleiche Attest aus. „Nicht machbar ist das, was man nicht will“, konterte René Hempel (Linke). Eine schwarz-rote Mehrheit wies den Kita-Ausbau mit Reserve schließlich ab, ebenso die von den Linken geforderte umgehende Betreuung von Flüchtlingskindern mindestens in Tagespflegestellen und nicht nur während der Kursbesuche ihrer Eltern.

Dem Verwaltungsvorschlag zur Erweiterung der Kita-Landschaft um 500 auf rund 10500 Krippen- und Kindergartenplätze bis 2018 stimmte der Stadtrat einstimmig zu. Von 339 auf 380 sollen im Zeitraum auch die Plätze in Tagespflegestellen erweitert werden. Die bestehenden sind seit Mitte 2015 in jedem Monat zu 100 Prozent belegt.