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Rossini-Quartett Telemann fährt Straßenbahn

Telemann-Musik ist am Mittwoch in einer Straßenbahn der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) erklungen - bei laufendem Fahrbetrieb.

Von Christina Bendigs 09.02.2017, 10:43

Magdeburg l „Nanu, was ist denn hier heute los?!“ Eine ältere Dame steigt gerade in die Straßenbahn ein. Statt des immer gleichen Piepens, wenn die Türen schließen, und der Fahrgeräusche der Bahn hört sie dieses Mal etwas ganz anderes: Livemusik! Und die Dame ist begeistert. Drei Mitglieder des Magdeburger Rossini-Quartetts sind gestern Straßenbahn gefahren. Und natürlich haben sie auch ihre Instrumente mitgenommen. Die blieben nicht eingepackt, sondern die Musiker erfreuten damit die Fahrgäste der Magdeburger Verkehrsbetriebe. Der Flashmob ist als Werbeaktion für die Telemania gedacht – jene Veranstaltungsreihe, mit der in diesem Jahr einer der bekanntesten Söhne der Stadt Magdeburg anlässlich seines 250.  Todestages gewürdigt werden soll. „Was tut man nicht alles“, sagt Marco Reiß als Intendant der Veranstaltungsreihe.

Die Tour beginnt allerdings mit einigen Unwägbarkeiten. Denn die Straßenbahn mit dem Konterfei des Barockkomponisten fährt 20 Minuten früher als angekündigt – und den Musikern vor der Nase davon. „Macht ja nichts“, sagen sich Marco Reiß, Wolfram Wessel und Tilman Schneider, „dann nehmen wir eben die nächste Bahn.“ Zum Glück hatte Marco Reiß am Vortag schon einmal einen kleinen Testlauf unternommen und an diesem Tag die Fahrgäste der Telemann-Straßenbahn unterhalten.

Aber nicht überall, wo Telemann draufsteht, muss Telemann drinstecken. Und überall dort, wo nicht Telemann draufsteht, dafür aber Telemann drinsteckt, ist die Überraschung am Ende vielleicht umso schöner. Doch da wartet auf die drei Musiker schon die nächste Hürde. Am Neustädter Friedhof steigen die Musiker ein – bis zum Uniplatz wollen sie aufgebaut haben und auf dem Abschnitt des Breiten Weges bis zum Hasselbachplatz dann Telemann-Stücke zum Besten geben. Doch die Bahn ist zu voll. Wolfram Wessel hat mit seinem Kontrabass gerade so Platz. Ans Auspacken und Spielen ist daher nicht zu denken. Ratlosigkeit. Was nun? An der Haltestelle Opernhaus steigen die Musiker unverrichteter Dinge wieder aus und überlegen schon, aufzugeben. Vielleicht ist es in der Gegenrichtung leerer? Da fährt eine Bahn in Richtung Herrenkrug ein. Kurzer Lagecheck, und ja, hier ist Platz genug. Also: Auf geht‘s!

Eine Haltestelle dauert es, ehe die Profi-Musiker ihre Instrumente ausgepackt, Notenständer aufgebaut und die Noten parat gelegt haben. Anfahren und Bremsen machen den Auftritt der Musiker nicht gerade leichter. Immer wieder wanken die Musiker hin und her. Die Fahrgäste beäugen die Männer neugierig. Was wird jetzt passieren? „Wir warten noch die nächste Kurve ab, dann geht‘s los“, kündigt Marco Reiß den Fahrgästen an. Und dann stimmen er und seine Kollegen die Trompeten-Sonate in D-Dur von Telemann an, während die Straßenbahn über den Nordbrückenzug und in Richtung Herrenkrug rumpelt.

„Ich wollte eigentlich schon eine Haltestelle früher aussteigen“, sagt Alexander Heinrich, „aber ich habe gedacht, wenn es jetzt Livemusik gibt, fahre ich noch ein Stückchen weiter.“ Und natürlich dokumentiert der junge Mann den Flashmob auch mit der Handykamera. In den großen Metropolen wie Berlin sind häufig Straßenmusiker in den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Aber in Magdeburg gibt es das noch nicht so oft – zumal nicht als Aktion, um Geld zu sammeln, sondern einfach nur, um Telemann bekannter zu machen. Auch Walla Rahal sitzt in der Bahn und zückt ihr Smartphone, nimmt die Musiker mit der Kamera auf. Direkt vor den Musikern sitzt sie sozusagen in der ersten Reihe bei diesem Straßenbahnkonzert. „Ich finde es sehr schön. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich so etwas in Magdeburg erlebe“, sagt sie. Das könnte es ruhig öfter geben.

Vielleicht wird sie den Clip später Freunden und Bekannten zeigen. Die Idee hinter dem Kurz-Konzert in der Bahn, nämlich Telemann ins Volk zu bringen, geht auf. „Ich finde es wirklich schön“, sagt auch Claudia Gonzalez, „jetzt ist Winter und alles ist grau, diese Musik in der Straßenbahn macht ein bisschen glücklicher.“ Mit Interesse nimmt sie einen der Flyer entgegen, mit dem die Musiker für die „Telemania“ werben.

Die Begeisterung der Fahrgäste überträgt sich auch auf die Musiker. Im Herrenkrug legt die Straßenbahn einen kurzen Zwischenstopp ein. Zeit für eine erste Bilanz. Marco Reiß erzählt, dass er vor dem ersten Auftritt in der Straßenbahn aufgeregt war: „Man weiß ja nicht, wie es ankommt und wie die Leute reagieren.“ Straßenmusik habe der Intendant der Telemania bislang noch nie gemacht. Insofern kostete es ihn auch ein wenig Überwindung, sich in die Straßenbahn zu stellen und einfach mal so für die Fahrgäste zu spielen. Tilman Schneider erzählt, dass er früher schon mal Straßenmusik gemacht habe. „Das ist aber schon ein paar Jährchen her. Insofern hat es auch ein bisschen Überwindung gekostet“, sagt er. Spätestens, als die ersten Fahrgäste begeistert Applaus spenden, ist aber alle Aufregung verflogen und auch die Freude bei den Musikern groß. Logisch, dass die Männer auch auf der Rückfahrt Telemann-Musik zum Besten geben.

Wolfram Wessels Fazit ist eindeutig: „Telemann klingt auch in der Straßenbahn gut.“ Und seine Kollegen stimmen ihm zu. An der Haltestelle Opernhaus endet die kurze Konzerttour der Musiker. Schnell noch die Instrumente zusammengepackt, dann steigen sie aus.

Kurze Konzerte wie dieses würden sie gern öfter starten, um den Magdeburgern den berühmten Komponisten, der in ihrer Stadt geboren wurde, näherzubringen. Im Rahmen der Telemania wird es Minikonzerte ab dem 4.  März auch an anderen öffentlichen Plätzen geben – etwa in Einkaufszentren. Und sogar im Fußballstadion vor Spielen des 1.  FC Magdeburg soll Musik des Komponisten erklingen. Die Veranstaltungsreihe ist Bestandteil der Bewerbung Magdeburgs um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“.