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Salbker See Rätsel um Flugzeugteile im Garten

Rätselhafte Funde auf einem Privatgrundstück: Gehören die Metallteile zu einem Militärflugzeug, das im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde?

Von Marco Papritz 16.07.2016, 01:01

Magdeburg l Vor zehn Jahren hat Bernd Krüger das alte Fährhaus des Fährmeisters Michaelis am Salbker See von dessen Tochter übernommen. Bei Sanierungsarbeiten auf dem Grundstück und im Kellerbereich des Hauses fallen ihm seitdem immer wieder Metallteile auf, die im Boden sichtbar werden. „Zunächst habe ich mir nicht viel dabei gedacht, wurde dann aber aufgrund ihrer Größe und Beschaffenheit stutzig“, so der 74-Jährige. Er vermutet, dass es sich bei den Fundstücken um Teile eines Flugzeuges handelt. Genauer, eines Militärflugzeuges. Dabei kommt ihm sein Wissen zugute – Bernd Krüger war Flugzeug­ingenieur, was seine Ausführungen glaubhaft erscheinen lassen. So identifizierte er einen Bodenfund als Höhenmesser, der als Gleichstromgerät konzipiert war. „Auch nach dem Hochwasser 2013, als der Boden durch das Wasser abgetragen wurde, traten Teile zutage“, so Krüger. Diese bestünden aus der Aluminiumlegierung Dural, die als Stahlersatz „eigentlich nur beim Flugzeugbau verwendet wird“.

Gleiches gilt für zwei Funde, die Bernd Krüger als Bestandteile einer Pilotenkanzel ausmacht: Dabei handelt es sich jeweils um Plexiglas, das mit einer Duralumrandung versehen ist. Außerdem befindet sich an den Teilen Tarnfarbe. Sie könnten als „Abdeckungen der Flugkanzel“ gedient haben. Beide Funde waren nahezu unbeschädigt, „was eher auf eine weichere Notlandung schließen lässt“. Sie wiesen aber keine Schriftzeichen, Nummern oder Kennungen für eine exakte Identifizierung aus, so Krüger. Und: „Der Radius der möglichen Cockpitabdeckung spricht dafür, dass eher zwei oder drei Personen nebeneinander gesessen haben müssten.“ Ebenfalls keine Kennungen weist ein Teil auf, „das aufgrund seiner Doppelwandigkeit einen Hinweis darauf gibt, ein Bestandteil des Rumpfes zu sein“.

Bernd Krüger sieht eine mögliche Lösung des Rätsels in der Kreuzhorst: Dort sei im Zweiten Weltkrieg eine Militärmaschine heruntergekommen. Der Fährmeister Michaelis hatte seinerzeit vor über 70 Jahren aufgrund seiner Tätigkeit die Möglichkeit, Überreste zum Fährhaus zu schaffen, sagt er.

Wie die Volksstimme im Vorjahr berichtete, vermissen Amerikaner ein Flugzeug, eine B17 Flying Fortress, samt Besatzung, das sie im Bereich der Elbauen vermuteten. Im Auftrag der amerikanischen Regierung besuchte ein Team mit Soldaten, Historikern, Forschern und Analysten das Jerichower Land, um sich mit Hilfe von Einheimischen auf die Spurensuche von Weltkriegsbombern und deren Insassen zu begeben. In der Region rund um Magdeburg hat es viele Abstürze gegeben, denen die Defense Prisoner-of-War/Missing-in-Action Accounting Agency (DPAA), eine spezielle Einheit des amerikanischen Militärs zum Aufspüren von im Krieg vermissten Soldaten, nachgeht. Deren erklärtes Ziel ist es, das Schicksal vermisster Soldaten zu klären und „Überreste in die USA zu überführen“, wie es heißt. Ergebnisse von der Fundstelle würden noch nicht vorliegen, so Andreas Hirte vom Kultur- und Heimatverein Magdeburg, der dem Vor-Ort-Termin im Vorjahr als Experte für Luftkriegsgeschichte beiwohnte. „Es ist noch nicht zu Grabungen gekommen.“

Helmut Menzel ist Leiter der Fachgruppe für Militär- und Garnisonsgeschichte des Kultur- und Heimatvereins Magdeburg und schließt die Theorie von Bernd Krüger nicht aus. Es stimme, dass ostelbisch noch ein Flugzeug vermisst wird. Über einen Absturz am Salbker See ist nichts bekannt. „Wenn es doch dazu kam, dann handelt es sich dabei nicht um einen Bomber, sondern eine leichte Jagdmaschine“, so der Experte. Diese hätten die großen Flugzeuge begleitet. Allerdings hätten sich die kleinen Flugzeuge in der Regel nicht in einem Tiefflug befunden und hätten nicht von einer Flugabwehrkanone (Flak) getroffen werden können.

315 Experten beteiligen sich weltweit an dem von Menzel ins Leben gerufenen Forum, die stets Interesse an Informationen und Hinweisen zu möglichen Abstürzen militärischer Maschinen in den Kriegsjahren haben. „Die Zeit arbeitet gegen uns: Die Zeitzeugen werden über 70 Jahre nach Kriegsende immer weniger“, verweist er. Oft würden er und seine Mitstreiter mit Gerüchten konfrontiert, die sich bei einer intensiven Recherche nicht belegen lassen. „Eines lautet etwa, dass ein deutscher Panzer nahe der Westerhüser Fähre auf der Westseite im Uferbereich bis zur Kanzel eingegraben wurde, um von dort aus ein Gefecht zu führen. Dies machte aus damaliger Sicht keinen Sinn und lässt sich nicht belegen“, sagt Helmut Menzel. Gleiches gilt für einen Flieger, der über der Neuen Neustadt abgeschossen und auf die Lübecker Straße gestürzt sein soll.

Dass ein Flugzeug am Salbker See heruntergekommen sein soll, kann auch der Bürgerverein Salbke, Fermersleben, Westerhüsen nicht bestätigen. Einige der Mitglieder des Vereins sind gebürtige Südostler. „Der Verein bemüht sich um das Dokumentieren der Geschichte der Stadtteile im Südosten. Wir wissen nur, dass über Pechau eine englische Maschine von einer Flakstellung abgeschossen wurde“, so Dennis Jannack. Das bestätigt Andreas Hirte. Dabei handelt es sich um ein englisches Halifax-Flugzeug, das am 21. Januar 1944 beim ersten Angriff auf Magdeburg abgeschossen wurde. „Allerdings gibt es keine Angaben von Augenzeugen, weil davon wohl aufgrund des verheerenden Angriffs niemand etwas mitbekam. Es gibt auch keine Angaben in Dokumenten“, sagt er. Fest steht, dass die toten Insassen auf dem Westerhüser Friedhof begraben wurden. Ob es sich bei den Fundstücken von Bernd Krüger um Überreste jener englischen Maschine oder einer deutschen handele, müsse bei einer Inaugenscheinnahme der Teile geklärt werden. „Der Flugplatz Süd war nicht weit von Salbke entfernt“, so Hirte.