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Sicherheitstraining 50 Schüler im toten Winkel

Rund 260 Magdeburger Erstklässler lernten bei einer eindrucksvollen Demonstration zum Lehrzweck den toten Winkel bei Lkw kennen.

Von Katja Tessnow 18.10.2016, 01:01

Magdeburg l Yara und Lysanne gehen in die Klasse 1d der Grundschule Ottersleben. Noch bringen ihre Eltern sie zur Schule. Vom sogenannten toten Winkel haben die Mädchen am Montag zum ersten Mal gehört. Ebenso wie ihre Mitschüler staunen sie, als sie hinterm Lenkrad eines Umzugslastwagens Platz nehmen, nicht schlecht darüber, was dessen Fahrer von da oben alles sehen kann – und was nicht.

Kinder insbesondere über Letzteres aufzuklären und zum umsichtigen Verhalten im Straßenverkehr anzuhalten, ist Ziel des Aktionstages „Toter Winkel“, der am Montag an den Grundschulen Am Westring, Am Glacis, Salbke, Westerhüsen und Ottersleben abgehalten wurde.

Trauriger Hintergrund: Allein 2015 ereigneten sich auf deutschen Straßen 37.744 Abbiegeunfälle (1090 in Sachsen-Anhalt). Zum erheblichen Teil war der tote Winkel Unfallursache. Initiiert hat den Aktionstag „Toter Winkel“ der Landesverband des Verkehrsgewerbes Sachsen-Anhalt, unterstützt u. a. von Polizei und Landesverkehrswacht.

Gerhard Bertram ist Präsident des Verkehrsgewerbeverbandes und Umzugsunternehmer in Magdeburg. Er lässt zum Aktionstag einen seiner Umzugslastwagen vorfahren. Die Schüler dürfen einsteigen, rausgucken und sich probehalber auf einen durch ein gelbes Tuch markierten toten Winkel stellen. Hier könnte sie der Fahrer schlecht sehen, vor allem beim Rechtsabbiegen. „Das ist eine Gefahr bedeutender Größe“, sagt Bertram. Wie groß der tote Winkel beim Lkw ist, erweist wenig später ein Test. Rund 50 Erstklässler passen auf das für den Lkw-Fahrer schwer einsehbare Stück Straße.

Zum Aktionstag in Ottersleben demonstrieren Landespolitiker qua Erscheinen und mit lobenden Worten, welche Wichtigkeit sie ihm beimessen. Gleich zwei Minister - Thomas Webel (Verkehr) und Holger Stahlknecht (Inneres) - treten probehalber in den toten Winkel und verstärken die Vorsicht-Botschaft an die Schüler.

„Jedes Unfallopfer ist eines zu viel“, sagt Webel. Stahlknecht erinnert sich mit Schrecken an den Unfall einer Kollegin, „bei dem der tote Winkel eine Rolle spielte“. Sie sei mit viel Glück mit dem Leben davongekommen.

Auf Verkehrserziehung wird an allen Magdeburger Grundschulen viel Wert gelegt. Regelmäßige Verkehrserziehungstage gehören zum Schulstoff. „Bei uns ist eine Kollegin speziell für diesen Bereich zuständig“, berichtet Katrin Schröder, Leiterin der Grundschule Ottersleben. Sie freut sich über den Aktionstag und das Lehrstück mit Lkw auf dem Schulhof.

Eine Tempo-30-Zone ist im Umfeld der Schule bereits eingerichtet. Im Zuge von Neuerungen des Bundesgesetzgebers, welche die Einrichtung verkehrsberuhigter Abschnitte auch an Hauptstraßen erleichtern, prüft die Stadtverwaltung auf Initiative des Stadtrates aktuell die Ausweisung von mehr als 20 weiteren Tempo-30-Zonen im Umfeld von Schulen.

Die größten Probleme vor zahlreichen Grundschulen in Magdeburg, so auch in Ottersleben, bereiten nach Auskunft der Schulleiterin Eltern, die unmittelbar vor der Schultür parken und damit für unübersichtliche Verhältnisse speziell zu Schulbeginn sorgen. „Die meisten tun das nicht und suchen einen Parkplatz etwas entfernt vom Eingangsbereich, aber wir haben hier im Haus mehr als 300 Schüler und noch einmal hundert in einer Außenstelle. Wenn sich da nur zehn Prozent daneben benehmen, ist das schon ein Problem.“

Andreas Hintze von der Verkehrswacht legte den Kindern das Tragen von Sicherheitswesten nahe. „Und tragt sie nicht nur einen Tag, sondern jeden Tag. Ihr habt nur ein Leben und das Wichtigste ist eure Gesundheit!“ Hintze schritt mit den Kindern einmal um den Lkw herum und erklärte ihnen genau, wo überall der Fahrer schlechte Sicht hat. „Es ist zum Beispiel nicht ratsam, sehr dicht vor einem Lkw oder Bus die Straße zu überqueren.“ Neben dem toten Winkel markierten Kegel einen mehrere Meter breiten Raum vor dem Lkw, den der Fahrer nicht einsehen kann. Auch in diesen passten eine ganze Schulklasse und noch ein paar Fahrräder hinein.

Die Schüler hörten aufmerksam zu und zitierten später vielfach den „toten Winkel“ – stolz, nun zu wissen, was das ist. Nach der Lehrstunde kam der Spaß nicht zu kurz. Da testeten die Schüler unter anderem, wie viele von ihnen in ein Polizeiauto passen. „Eben war eine ganze Klasse drin“, sagt eine Polizistin und lacht.