1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Ein (fast) reines Turmbau-Plädoyer

Stadtrat MagdeburgEin (fast) reines Turmbau-Plädoyer

20 Etagen soll der Luisenturm in Magdeburg in die Höhe ragen. Der Stadtrat bejubelt das Bauvorhaben mehrheitlich, aber nicht geschlossen.

Von Katja Tessnow 25.04.2017, 01:01

Magdeburg l Am Rande der Innenstadt, in unmittelbarer Nachbarschaft von Finanzbehörde und Elbeschwimmhalle, plant die MWG-Wohnungsgenossenschaft einen markanten Wohn- und Geschäftsneubau, der das nördliche Stadtzentrum von Magdeburg weithin sichtbar prägen wird. Kernstück des Projektes ist ein Hochhaus (61,5 Meter) mit 20 Etagen.

Ursprünglich waren am Standort nur 14 Geschosse geplant, wofür die Stadtverwaltung Magdeburg bereits vor fast zehn Jahren einen positiven Bauvorbescheid erteilte. Er ist wegen der „Überhöhung“ des Projektes nicht mehr gültig, weshalb es einer Neuaufstellung und öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes „Erzbergerstraße – Luisenturm“ bedarf.

Von einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung und einer Umweltprüfung soll – so schlug es die Verwaltung den Stadträten auf ihrer jüngsten Sitzung vor – abgesehen werden. Ein „vereinfachtes Verfahren“ – das spart Zeit – reiche aus, erklärte der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann (parteilos), u. a. weil das Areal vormals mit zwei 16-Geschossern bebaut war und die Wiederherstellung des städtebaulichen Identifikationspunktes in der Sichtachse der Otto-von-Guericke-Straße „stadtgestalterisch wünschenswert“ sei. „Es geht hier also nur noch um die Höhe“, so Scheidemann, „sie ist einziger Inhalt des neuen Verfahrens.“

Auch wenn baurechtlich nicht zwingend vorgeschrieben, wünschten sich indes die Grünen ein Bauleitverfahren mit Bürgerbeteiligung und Umweltprüfung vor dem Baustart. Grünenrat Timo Gedlich begründete das so: „Was bedeutet es für die Anlieger, wenn wir so einen Riesenturm dahin stellen? Werden andere Grundstücke verschattet? Und ja, auch auf manch unscheinbarer Brache gibt es geschützte Arten, zum Beispiel die Ödlandschrecke.“

Mit der Schrecke, deren blauflügeliges und unter Schutz stehendes Exemplar schon einmal den Bau eines Parkplatzes am Elbbahnhof enorm verzögerte, hatte Gedlich ein zwar aus umweltschützerischer Sicht treffendes, politisch aber komplett am Ziel vorbeigehendes Beispiel gewählt. Großes Geraune im Rat. „Ödlandschrecke, wenn ich das schon höre“, stöhnt Klaus Kutschmann (BfM) ins Ratsmikro, „die hat damals alles nur aufgehalten, dann war sie weg und heute redet kein Mensch mehr von ihr.“

Ratsmehrheit und Verwaltung wollen den Neubau und die baurechtlich mögliche einfache Genehmigung – ohne Umweltprüfung, die laut Aussage des Baubeigeordneten etwa ein halbes Jahr Zeit kosten würde – natürlich nur für den Fall, dass vor Ort kein Exemplar einer geschützten Art gefunden würde.

„Wir begrüßen das Projekt ausdrücklich und ich habe auch von noch niemandem gehört, der etwas dagegen hat“, sagte SPD-Fraktionsvize Falko Grube namens seiner Fraktion und auch namens des Bauausschusses. „So bald wie möglich“, wünscht sich auch die Fraktion CDU/FDP/BfM Baurecht für den Turm, gab deren Vorsitzender Wigbert Schwenke zu Protokoll.

„Wir wollen doch gar nichts verhindern“, versuchte der Grüne Alfred Westphal einen Konter, sondern nur Volksmeinung und Umweltbelange nicht außen vor lassen. Marcel Guderjahn (Gartenpartei) meint Volkes Meinung schon zu kennen: „Jeder kennt noch die hässlichen 16-Geschosser, die dort einmal standen. Jetzt soll dieses wunderschöne Türmchen gebaut werden. Am besten noch mit zwei Geschossen obendrauf!“

Bei zwei Gegenstimmen und acht Enthaltungen stimmte der Stadtrat dem vereinfachten Bauleitverfahren zu – ohne Umweltprüfung und Bürgeranhörung.