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Stadtrat Verkehrspolitisches Gewitterchen

Die Stadt Magdeburg wird keine neuen Messgeräte für Geschwindigkeitskontrollen anschaffen, will aber das vorhandene Gerät massiv auslasten.

Von Katja Tessnow 19.09.2016, 01:01

Magdeburg l Die Fraktion CDU/FDP/BfM hatte sich eigentlich mehr gewünscht. Statt eines Blitzers solle der Ordnungstrupp der Verwaltung künftig mit drei Blitzern im Stadtgebiet dafür sorgen, dass Rasern Einhalt geboten wird.

Verwaltung, Ratsmehrheit und auch die Öffentlichkeit reagierten aus verschiedenen Gründen etwas empfindlich auf die Forderung. So stutzten die Initiatoren am Ende den eigenen Antrag zurecht und beschränkten sich auf den Wunsch nach einer besseren Auslastung des vorhandenen Stadt-Blitzers. Der fand fast einhellige Zustimmung im Rat (eine Gegenstimme, drei Enthaltungen). Allerdings gelobte die Stadt bereits zuvor, dass sie mit mehr Personal zum Blitzerbetrieb für den ständigen Einsatz sorgen wolle.

In der Debatte räumte CDU-Mann Reinhard Stern ein, dass eine Debatte über Geschwindigkeitskontrollen wohl bei fast jedem persönliche Befindlichkeiten auslöse. „Bezahlt hat wohl jeder schon mal.“ Dann brach sich einige Wut bei Stern Bahn – über die zahlreichen Verkehrsteilnehmer, die sich selbst vor Kitas und Schulen nicht an Tempo-30-Regeln halten, über massive Rotlichtverstöße an den Ampeln ... „Und wenn ich im Urlaub im Ausland an einem Fußgängerüberweg stehe, dann halten so gut wie alle. Hier fahren alle weiter!“

Überhaupt seien die Strafen, die in Deutschland für das Rasen oder andere Widrigkeiten im Straßenverkehr verhängt würden, „viel zu gering“, so Stern. Er lobte die deutlich härtere Gangart in der Schweiz: „Da zahlt man empfindliche Strafen und zieht sogar die Autos ein.“

SPD-Fraktionschef Jens Rösler warnte seine Ratskollegen mit Blick auf die Verantwortlichkeiten davor, ein falsches Signal zu setzen. Er sieht in erster Linie die Polizei in der Pflicht, den Verkehr zu überwachen und Sünder abzustrafen. Und wenn schon mehr Blitzer, so Rösler sinngemäß, würde er lieber die Ampelanlagen damit ausgestattet sehen: „Das Überfahren roter Ampeln ist in Magdeburg ein vordringliches Problem.“

„Total verwirrt“ vom Gegenwind für die Blitzer-wütigen Christdemokraten zeigte sich Jürgen Canehl (Grüne). „Ich unterstütze die Forderung der CDU voll.“ Er habe schon manchen polizeilichen Blitzereinsatz in Stadtfelder Tempo-30-Zonen beobachtet und sich gefragt: „Warum halten die die nicht an?“ Jetzt wisse er dass die Polizei anders als die Stadt erst ab 10 km/h zu viel stoppe und erachte dies als „viel zu milde“. Canehl wünschte sich mindestens einen weiteren Stadt-Blitzer und dessen Einsatz nur an kritischen Orten vor Schulen, Kitas, Heimen oder in verkehrsberuhigten Wohnvierteln.

Dass der von ihm mitinitiierte Antrag auf mehr Blitzer auch nur so zu verstehen sei, bekräftigte Klaus Kutschmann (Bund für Magdeburg). „Der Sinn ist rein ordnungspolitisch. Es geht uns nicht um Abzocke. Wir wollen, dass der Bitzer vor Schulen oder Kitas steht und nicht zehn Meter vor dem Ortsausgangsschild.“

Andere und unmissverständlichere Schritte als gelegentliche Blitzer-Einsätze wünscht sich an Standorten, an denen Menschen besonders durch Raser gefährdet sind, der Grüne Alfred Westphal. Meine die Stadt es Ernst, mit der Herstellung von Verkehrssicherheit zum Beispiel vor Schulen und Kitas solle sie, wie in anderen Städten üblich, Bodenwellen in die 30er Zonen einbauen. „Die signalisieren dem Autofahrer viel klarer: Hier darfst du nicht schnell fahren, sonst überschlägst du dich oder brichst dir selbst die Hacken.“

Eine Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten Daniel Kratz nach den Auswahlkriterien der Stadtverwaltung für die konkreten Orte von Blitzer-Einsätzen, ließ der zuständige Ordnungsbeigeordnete Holger Platz (SPD) unbeantwortet. Statt dessen maßregelte er die Stadträte und erklärte ihnen, was überhaupt nur in ihrer Macht stehe. „Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie alle dafür, dass wir mehr messen. Damit ist auch gut. Welches Messgerät wir benutzten und wie viele Geräte, wo und wie wir messen, das ist allein unsere Sache. Wir stecken auch die Prügel ein, wenn es den Leuten nicht gefällt.“ Basta sagte Platz nicht, aber sein Tonfall legte es nahe.

Der Stadtrat beschloss schließlich fast einhellig, was die Stadt laut Platz ohnedies plant – mehr Einsätze mit dem vorhandenen Blitzer. Außerdem plant das Ordnungsdezernat eine Ampelüberwachung und eine harte Gangart gegen Rotlichtsünder.

Platz sagte nach dem Beschluss breit lächelnd: „Ich werte das als eindeutiges Votum dafür, dass wir zum Weihnachtsmarkt wieder ordentlich zuschlagen.“ Der Rat grummelte ablehnend. Eine getarnte Blitzerfalle wie jene, in die im Vorjahr unmittelbar nach Einrichtung der Tempo-30-Zone Tausende auf der Ernst-Reuter-Allee tappten, ist kein politischer Wille.