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Stadtzuschuss Otto feiert sparsam oder gar nicht

119.000 Euro und Schluss - mit so viel Geld, aber mit keinem Euro mehr ist der Stadtrat bereit, das Kaiser-Otto-Fest zu bedenken.

Von Katja Tessnow 19.11.2016, 00:01

Magdeburg l Es sollte die Festmarke der Landeshauptstadt werden – nachdem das Altstadtfest zum Stadtjubiläum anno 2005 die Massen begeisterte, wollte die Stadt ab 2011 mit dem Kaiser-Otto-Fest an den Erfolg anknüpfen. Zwischen 18.000 und 25.000 Besucher stürzen sich seither jährlich ins mittelalterliche Festgetümmel rund um Dom und Kloster. Die Ansichten darüber, ob sich das Fest gut oder schlecht entwickelt hat, gehen im Stadtrat weit auseinander.

SPD, CDU und Grüne traten im Stadtrat für die Deckelung des Festbudgets bei 119.000 Euro an. Aus diesen Lagern kam auch die heftigste Kritik am Fest, das sich „nicht recht von anderen Mittelalterfesten unterscheidet“ (Christian Hausmann, SPD) und „nicht genug auf Magdeburger Besonderheiten eingeht“ (Wigbert Schwenke, CDU). „Wir wollen keinen zweiten Weihnachtsmarkt à la Mittelalter“, fasste Sören Herbst (Grüne) zusammen und attestierte den Veranstaltern, dass sie es nicht geschafft hätten, den speziellen Charakter des Kaiser-Otto-Festes zu schärfen, sondern ihn im Gegenteil „verwässert“ hätten.

Wigbert Schwenke, eingefleischter Ottersleber, verwies mehrfach in der Debatte aufs Otterleber Stadtteilfest und darauf, dass dies ganz ehrenamtlich auf die Beine gestellt würde und terminlich seit zwei Jahren mit dem Kaiser-Otto-Fest kollidiere, „offenbar zu Lasten des Kaiser-Otto-Festes“. Für den Vergleich „von Äpfeln und Birnen“ wurde Schwenke später mehrfach angezählt.

„Ich verstehe die ganze Diskussion nicht“, schaltete sich der Oberbürgermeister in die Debatte ein. „Sie wollen mehr Qualität, aber das Geld dafür streichen. Wie soll das gehen?“, fragte Lutz Trümper gereizt und verwies auf die Geschichte der Veranstaltung. Ab 2011 hatte zwei Jahre lang die IG Innenstadt das Fest ausgerichtet – bei kommunalen Zuschüssen in Höhe von 387.000 (2011) und 238.000 Euro (2012). „Dann haben die gesagt, sie können das Risiko nicht mehr tragen und wir haben händeringend einen anderen Veranstalter gesucht und regelrecht überreden müssen.“ Letztlich übernahm die Magdeburger Agentur Paganini die Party und gründete eigens die Kaiser-Otto-Fest GmbH. Vor dem Vorwurf, die würde möglicherweise zu großen finanziellen Eigennutz aus dem Fest mit städtischem Zuschuss ziehen, nahm Trümper die Privaten in Schutz. „Die IG Innenstadt wollte es nicht mehr machen. Warum wohl? Bestimmt nicht, weil sie so gut daran verdient hätten.“

Nach Vorgesprächen mit den aktuellen Veranstaltern wollte die Stadtverwaltung das Festbudget ab 2017 wieder auf 155.000 Euro aufstocken. Davon sollten 21 000 Euro explizit für die inhaltliche Weiterentwicklung des Festes reserviert werden (neue kulturelle Höhepunkte). Mit maximal 15.000 Euro wollte die Stadt ins Veranstalterrisiko mit eintreten, zum Beispiel für den Fall unerwartet hoher Eintrittseinbußen wegen Schlechtwetters.

Nur Linke und Gartenpartei waren bereit, diesem Vorschlag und den Argumenten des Oberbürgermeisters zu folgen. „Am Ende entscheiden wir heute, ob wir künftig nur noch saufen und fressen oder auch noch Kultur machen“, befürchtet Oliver Müller qualitative Einbußen für den Fall der Budgetkürzung. Auch Trümper hatte zuvor gewarnt: „Mehr Qualität erzielen wir mit Kunst. Die kostet Geld. Geld verdienen kann man mit Essen und Trinken, aber wenn Sie mehr künstlerische Qualität wollen, dann müssen wir sie auch bezahlen.“

Noch weitergehend befürchten Dennis Jannack (Linke) und Roland Zander (Gartenpartei) die Beerdigung des Festes. Auch Trümper mochte keine Garantie dafür abgeben, dass man zu den neuen Konditionen überhaupt einen Veranstalter finde. In einiger Wut forderte Gartenparteiler Zander daraufhin gleich sechs namentliche Abstimmungen (Beschlusspapier und Änderungsanträge), auf dass später im Protokoll nachlesbar sei, wer den Magdeburgern das Fest verhagelt hat. Die umständliche Abstimmungsprozedur nervte eine Ratsmehrheit ganz gewaltig; einzelne Räte verloren zwischenzeitlich sogar den Überblick, wofür sie gerade die Hand hoben. So stimmten die drei Abgeordneten der Jung-Fraktion Links für Magdeburg um Frank Theile versehentlich für die Kürzungen am Festbudget, obwohl sie diese gar nicht mittragen wollten.

Am Schluss der mehr als einstündigen Debatte und schon zwischendurch äußerten sich mehrere Räte, der Oberbürgermeister und der Ratsvorsitzende peinlich berührt über das blamable Niveau der Auseinandersetzung über das wichtigste Fest im kommunalen Kalender. „Wenn wir so weitermachen, können wir auch gleich Halle unterstützen bei seiner Kulturhauptstadtbewerbung“, sagte der Linke Oliver Müller. „Ich schäme mich“, bekannte der Grüne Alfred Westphal und Ratschef Andreas Schumann setzte nach: „Das kann ich nur unterschreiben. So ist es.“

Bei 37 Ja-Stimmen (CDU, SPD, Grüne, FDP, Tierschutz), 9 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen von Linken, Gartenpartei und Links für Magdeburg setzte der Stadtrat schließlich das auf 119.000 Euro begrenze Festbudget durch. Auf Antrag der CDU soll das Festkonzept künftig jährlich im Kulturausschuss debattiert und im Zweifel per Ausschreibung ein neuer Veranstalter für das Fest gesucht werden.

Die Kaiser-Otto-Fest GmbH war gestern nicht für eine Reaktion auf die Ratsdebatte zu erreichen. Torsten Fraß, einer der beiden Geschäftsführer, hatte die Diskussion von den Besucherrängen aus verfolgt und nach der Abstimmung umgehend den Saal verlassen. Bereits am Dienstag hatten er und sein Geschäftsführer-Kollege Ingo Bumbke erhebliche Verstimmung über die Qualitäts- und Finanzdebatte zu Protokoll gegeben und den Ausstieg für den Fall erwogen, dass die Stadt ihre Beteiligung am Fest zurückschraubt.

Ob es 2017 ein Kaiser-Otto-Fest gibt, bleibt unklar.