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Volksstimme-Test Wer kommt schneller ins Ziel?

Am Donnerstag ist autofreier Tag. Anlass für drei Redakteure, zu testen, mit welchem Verkehrsmittel sie in Magdeburg am schnellsten sind.

Von Anja Guse 21.09.2016, 20:04

Magdeburg l Am autofreien Tag, einem europäischen Aktionstag, sollen möglichst viele Menschen auf eine Fahrt mit ihrem Auto verzichten. Doch ist das in Magdeburg so einfach möglich? Welche Alternativen gibt es? Volksstimme-Lokalleiter Rainer Schweingel, Online-Redakteurin Anja Guse und Reporter Marco Papritz machen den Test. Wie lange brauchen sie mit jeweils unterschiedlichen Verkehrsmitteln von Neu-Olvenstedt bis in die Altstadt?

Rainer Schweingel schwingt sich auf sein Fahrrad, Anja Guse steigt in die Straßenbahn-Linie 4 und Marco Papritz fährt mit seinem Auto. Startpunkt ist für alle die Haltestelle Am Stern, Ziel ist das Volksstimme-Servicecenter an der Goldschmiedebrücke. Wer wird zuerst da sein? Wer kommt stressfrei ans Ziel? Und wer am sichersten? Ein, nein drei Streckenprotokolle.

7.45 Uhr
Radfahrer: Los gehtʼs. Was die anderen nicht wissen: Ich wähle nicht die schnellste, sondern die schönste Strecke und freue mich schon drauf. Gleich die erste Ampel am Stern ist grün und ich strample los über den Bruno-Beye-Ring. Am Bürgerbüro brennt schon Licht.

Bahnfahrerin: Ich gehe zur Haltestelle Am Stern. Dort warten bereits einige Leute auf die Bahn. Ein junger Mann wärmt sich an seinem Kaffeebecher. Kein Wunder, es ist ziemlich frisch an diesem Morgen. 8 Grad Celsius. Die Bahn soll in vier Minuten, also 7.49 Uhr, kommen. Ich bin gespannt, ob die MVB pünktlich sind.

Autofahrer: Willkommen beim Autofahrer-Roulette: Komme ich ohne Stau durch und wenn nicht, wo wird es mich erwischen? Wider Erwarten rollt es auf dem Neuen Renneweg, der Olvenstedter Chaussee und der Albert-Vater-Straße flüssig – prima.

7.50 Uhr
Radfahrer: An der Kreuzung mit dem Neuen Renneweg (B1) ist Rot. Links neben mir hat mich inzwischen Kollege Marco Papritz mit dem Auto eingeholt. Als Grün wird, geht er in Führung – und ich biege ins Wohngebiet Lindenweiler ab – hier ist es schön ruhig.

Bahnfahrerin: Ja, die Bahn ist pünktlich. Ich sitze direkt hinter einer Tür und mache es mir am Fenster bequem. Ein Fehler, wie sich schnell erweist. Das laute Piepen beim Schließen der Tür mag für schwerhörige Menschen hilfreich sein, mir geht es aber schon jetzt auf die Nerven. Und das am frühen Journalisten-Morgen.

Autofahrer: Die ersten Ampeln sind passiert, ohne dass ich einen Stopp einlegen muss. Da wird das Radio gleich etwas lauter gedreht. DJ Marco gönnt sich „Beautiful day“ von U2.

7.55 Uhr
Radfahrer: Über den Stieglitzweg, die Vogelbreite und den Kranichweg läuft es wunderbar. Kein Verkehr. Morgenruhe. Über die „Harsdorfer“ und den Schwarzen Weg gehtʼs zur Schrote. Mit Joggern und Müttern mit Kinderwagen teile ich mir den Radweg. Idylle pur mitten in der Stadt. Nur ein übervoller Papierkorb stört das Auge.

Bahnfahrerin: Seit sechs Minuten fahre ich mit der Bahn. Es ist angenehm warm und ruhig. Es fahren kaum Leute mit. Der klassische Schülerverkehr ist bereits vorbei. Nur hinten sitzt eine zweite Klasse. Die Mädchen und Jungen sind auf dem Weg zum Gewächshaus. Auf einem Bildschirm schauen sie die Werbevideos der MVB.

Autofahrer: Vom Magdeburger Ring drängen Autos auf die Bundesstraße 1 und kommen direkt auf der Kreuzung zum Stehen. Anzeichen des sogenannten Autofahrertourettes machen sich bei meiner Vorderfrau bemerkbar: Wild gestikulierend beschimpft sie die Stauverursacher. Ab jetzt Schneckentempo.

8.00 Uhr
Radfahrer: Kurz nach 8 Uhr hält mich das Stoppschild Höhe Pauluskirche auf. Schade, ich war gut in Fahrt. Aber richtig ist es trotzdem. Auf der Immermannstraße kommen ein paar Autos. Dann geht es weiter. Ich fahre über die Goethestraße Richtung „Olvenstedter“ mit wechselnden Vorfahrtsregelungen an jeder Querstraße. Irgendwie komisch.

Bahnfahrerin: Die Fahrt führt mich vorbei an Gärten, grünen Wänden, verlassenen Grundstücken, hinein nach Stadtfeld. Eine Oberstufen-Schülerin sitzt mir gegenüber, auf dem Schoß einen Geschichtshefter, in der Hand ein Smartphone. Offenbar googelt sie ein paar Infos für ihre Hausaufgaben. Gleich gehtʼs durch die Tunnelbaustelle.

Autofahrer: Ich kann den Uniplatz schon sehen... Hinter den Autos da vorn, irgendwo, die sich vom Krökentor aus in die Walther-Rathenau-Straße zurückstauen. Ab jetzt leuchtet mir die Farbe Rot von jeder der verbleibenden  Ampeln entgegen, die ab Uniplatz folgen.

8.05 Uhr
Radfahrer: Die rote Ampel an der Ringabfahrt Damaschkeplatz hält mich eine Minute lang auf. Dann wird Grün und ich fahre auf dem neuen, aber teilweise ganz schön welligen Asphaltweg unter den Bahnhofsbrücken parallel zur Baustelle durch.

Bahnfahrerin: Eigentlich sollte ich jetzt am Alten Markt ankommen, aber ich bin schon am City Carré ausgestiegen. Raus aus der gemütlichen Bahn, rein in die frische Luft. Jetzt gehtʼs zu Fuß weiter. Ich schlüpfe am vorderen Ausgang der Haltestelle durch und überquere die Ernst-Reuter-Allee, in der Hoffnung, so schneller am Ziel anzukommen.

Autofahrer: Nur noch eine Kurve und dann ab auf die Zielgerade. Um diese Zeit sind sogar allerhand freie Parklücken am Breiten Weg zu haben. Dann schnell zu Fuß zum Volksstimme-Servicecenter.

8.07 Uhr
Radfahrer: Die Kreuzung Otto-von-Guericke-Straße/Ernst-Reuter-Allee gibt mir den Rest. Zweimal Rot nacheinander lassen den Glauben an den Sieg im Dreikampf schwinden.

Bahnfahrerin: Ich laufe am Ulrichshaus entlang und steuere auf die Ampel am Allee-Center zu. Rot. Mist, ausgerechnet jetzt muss ich warten.

Autofahrer: Erster!

8.08 Uhr
Radfahrer: Über die Goldschmiedebrücke steuere ich auf das Ziel Volksstimme-Servicecenter zu und sehe: Ich bin nicht der Letzte, aber auch nicht der Erste.

Bahnfahrerin: Ich überquere den Breiten Weg, beschleunige nochmals meinen Schritt. Von weitem sehe ich schon meinen Kollegen auf dem Rad. Er wird kurz vor mir am Ziel ankommen. Schade.

Autofahrer: Am Horizont taucht der Radler unter den drei Startern auf – gerade mal eine Minute nach mir. Respekt.

8.09 Uhr
Radfahrer: Zweiter! Gut durchlüftet steige ich vom Rad und sage mir: So kann ein Tag beginnen.

Bahnfahrerin: Dritter!

Autofahrer: Wir sind komplett – zwar ganz unmotorisiert, aber sichtlich motiviert ist auch die Straßenbahnfahrerin am Zielpunkt eingetroffen.

Fazit
Radfahrer: Die Entscheidung fürs Rad habe ich nicht bereut. Ich brauchte etwas mehr als 23 Minuten. Damit war ich nicht der Schnellste, hatte aber wohl die schönste Strecke. Kaum Verkehr, Natur pur, frische Luft und etwas Bewegung sowie praktisch Null-Stau-Gefahr.

Bahnfahrerin: Wie unsäglich. Ich dachte wirklich, ich würde wenigstens Zweiter werden. Macht nichts. Es lagen nur wenige Sekunden zwischen mir und meinem Fahrrad-Kollegen. Dafür hatte ich eine entspannte Fahrt in einer gut klimatisierten Bahn.

Autofahrer: Eine 7,6 Kilometer lange Strecke in gerade einmal 22 Minuten zurückzulegen, darüber würde ich mich als Freizeitläufer freuen. Als Autofahrer ist das okay. Beim Test hatte ich sicherlich Glück, dass es mehr als die Hälfte der 15 Ampeln gut mit mir meinte.

Übrigens: Einige europäische Städte und Kommunen beteiligen sich am Tag, indem sie beispielsweise partiell Straßen für den Autoverkehr sperren. Magdeburg nimmt nicht am Aktionstag teil. Aus dem Rathaus heißt es: „Wir halten solche Symbolpolitik nicht für zielführend.“ Außerdem gebe es genug Bereiche – auch durch die Baustellen – die nicht per Auto erreichbar sind.