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Wohnen Taut'scher Blick auf Magdeburger Elbufer

In Magdeburg soll ein Viertel in der Tradition des Neuen Bauens erbaut werden. Das ist nicht abwegig, wie Entwürfe von Bruno Taut zeigen.

Von Martin Rieß 22.02.2018, 14:50

Magdeburg l Am Kleinen Stadtmarsch, der derzeitigen Zufahrt zum Stadtpark Magdeburg, möchten die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg und die Magdeburger Wohnungsgenossenschaft für etwa 60 Millionen Euro rund 280 neue Wohnungen, Gastronomie, vielleicht auch Gästewohnungen bauen.

Es geht um den Bereich an der derzeit unbebauten Schleusenstraße. Der Stadtrat Magdeburg entscheidet am 22. Februar 2018, ob ein Verfahren eröffnet werden soll, unter welchen Bedingungen hier eine Wohnbebauung möglich ist.

Eckhart Peters, der das Magdeburger Stadtplanungsamt bis ins Jahr 2008 leitete und der sich intensiv mit der neueren Geschichte des Bauens in Magdeburg beschäftigt hat, hat der Volksstimme Dokumente zur Verfügung gestellt, die belegen: Das Gelände an der Schleusenstraße war nicht allein bis zur Zerstörung der Häuser im Jahr 1945 bebaut. Vielmehr war das Gebiet auch im Fokus der treibenden Kräfte des Neuen Bauens.

Eckhart Peters sagt: „Das leuchtet auch ein: Südlich dieses Gebietes entstand ja in jener Zeit auch das Ausstellungsgelände für die Deutsche Theaterausstellung, von dem heute noch die Stadthalle, der Albinmüllerturm, die Lichtstelen und das Pferdetor erhalten sind.“ Sprich: Die Planer der Aufbruchzeit nach dem Ersten Weltkrieg hatten die besondere Lage des Gebietes sehr genau im Blick.

Und selbst wenn diese Bebauung nie verwirklicht wurde, spannt es den Bogen zum Anspruch der potenziellen Bauherren, die sich unter anderem mit einem Block in Bogenform und in Anlehnung an die Hufeisensiedlung in Berlin genau an dieser Bautradition orientieren möchten.

Und tatsächlich finden sich in den Unterlagen und Aufzeichnungen aus jener Zeit auch Pläne von Bruno Taut, der als treibende Kraft Anfang der 1920er Jahre einen wichtigen Impuls für die Entwicklung Magdeburgs zu einer herausragenden Stätte des Neuen Bauens gegeben hatte.

Auf seinem Plan, der Jahre vor dem Bau des Ausstellungsgeländes samt Stadthalle angefertigt wurde, ist zu erkennen, dass sich von dort im Süden des bebauten Geländes auf dem Werder entlang dem Elbufer ein Gürtel von Häusern bis zur Strombrücke zieht. Neben Wohnbebauung und Baumalleen hatte der Architekt und Stadtplaner in jener Zeit auch ein ganzes Viertel mit öffentlichen Einrichtungen – u. a. ein neues Rathaus anstelle der abgerissenen Zitadelle – vorgesehen.

Aus der Feder von Bruno Taut stammt dazu auch ein Gebäude, das in abgestufter Form der expressionistischen Frühphase des Neuen Bauens entspricht. Ähnlich markante Bauwerke waren auch an anderen Stellen der Stadt Magdeburg, unter anderem am heutigen Universitätsplatz, geplant.

Neben jenen, die eine Neubebauung des Bereichs an der Schleusenstraße im Sinne der sogenannten innerstädtischen Verdichtung und einer weiteren Entwicklung Magdeburgs begrüßen, haben sich auch Kritiker zu Wort gemeldet: Unter anderem geht es um die Zukunft des Messeplatzes, dessen Nutzer die Beschwerden über eine zu große Lärmbelastung befürchten, es geht um Umwelt- und um Hochwasserschutz sowie damit verbunden auch um die Kosten für eine Bebauung am Kleinen Stadtmarsch.

Eckhart Peters seinerseits zählt zu den Befürwortern einer neuen Bebauung: „Alle genannten Probleme lassen sich doch lösen“, so seine Überzeugung. Gefreut habe er sich gerade auch darüber, dass die Verbindung für Fußgänger und Radfahrer wieder aufgetaucht ist. Eine solche Lösung als Verbindung zwischen Innenstadt und Stadtpark war immer wieder im Gespräch.

Sie taucht auf einer Karte aus dem Jahr 1890 auf, als auch auf dem Entwurf von Bruno Taut. Eckhart Peters sagt: „In meiner Amtszeit hatten wir das Thema auch auf dem Tisch – leider ist es aber nicht umgesetzt worden.“ Die Investoren hatten an der Brücke schon Interesse gezeigt.

In der Volksstimme hatten die potenziellen Investoren vor einigen Tagen eine erste Idee zur Gestaltung des Geländes als Diskussionsgrundlage vorgestellt. Und auf dieser Grundlage bezieht Eckhart Peters Position: „Das bogenförmige Haus passt sicher sehr gut. Dass aber ansonsten vor allem frei stehende Punkthäuser entstehen sollen, ist meiner Meinung nach dem Standort nicht angemessen.“

Ein Standort zur Elbe hin bedürfe einer klaren Kante, so der Fachmann. Er vergleicht das Werderufer mit der Speicherstadt in Hamburg, die nur durch ihre geschlossene Bauweise für den Betrachter als etwas Besonderes wahrgenommen werde.