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Abriss geplant Erinnerungen an die „Schlappenschule“

Die ehemalige Oberschule „Hans Beimler“ in Wefensleben soll abgerissen werden. An ihre Geschichte erinnert sich Klaus Borrmann.

Von Ronny Schoof 10.05.2016, 01:01

Wefensleben l „Wir wurden als ‚Schlappenschule‘ verhöhnt. Weil wir uns jeden Tag im Keller Puschen anziehen mussten.“ Der 55-jährige Wefensleber verbindet lebhafte Erinnerungen mit dem mittlerweile trostlos hinter ihm aufragenden Viergeschosser vom Bautyp „Erfurt“. Der obligatorische Schuhwechsel aus der Anfangs- und Glanzzeit mutet aus heutiger Sicht kurios an. Aber 1971 war das Haus ein moderner Vorzeigebau mit Prestige und Profil. Nebenan entstand zeitgleich die für damalige Verhältnisse luxuriöse Turnhalle, obendrein eine Kleinsportanlage, „die“, so Borrmann, „aber nie so richtig in Betrieb gegangen ist.“

Vor zwei Jahren ist auf dem gesamten Gelände Betriebsruhe eingekehrt. Der Grundschule war schon 2013 das Aus beschieden, wenig später verließen auch die hier noch ansässigen Vereine und die Bibliothek den Standort. „Und was war das mal für ein Standort“, resümiert Klaus Borrmann. Seiner Recherche zufolge waren hier in der Spitze 825 Kinder und Jugendliche und 54 Lehrer schulisch beheimatet. „Selbst als reine Sekundarschule waren es immerhin noch über 200 Schüler und 20 Lehrer.“ Danach, ab 2006, ging es zahlenmäßig rapide bergab; nur noch die vier Grundschulklassen mit kaum 60 Kindern waren in dem nun für sie völlig überdimensionierten Gebäude geblieben.

„Ich bin überzeugt, dass dieser Niedergang von langer Hand geplant war, es sagt nur keiner“, meint Borrmann verbittert. „Zudem haben die Verantwortlichen jahrelang gepennt. Es wurde nichts investiert, die Schulentwicklung hier ist einfach desaströs behandelt worden.“ Borrmann bezieht darin auch die Schließung des Allertal-Gymnasiums in Eilsleben sowie den „blöden Umstand“ ein, dass die Wefensleber ihre Kinder derzeit aufgrund der Einzugsbereichregelung nicht im Nachbardorf Ummendorf einschulen dürfen: „Die Ummendorfer Grundschule liegt quasi vor unserer Haustür, aber sie ist nicht erreichbar, das ist doch absurd.“

Was auf der Haben-Seite bleibt, sind vor allem Anekdoten wie jene, dass die Schule durchaus elektrisierende Wirkung ausübte, wenngleich nicht ganz im pädagogischen Sinne. „Die Treppengeländer waren von den Hunderten Kindern, die in den Pausen die Räume wechselten oder nach draußen drängten, elektrostatisch aufgeladen, da hat man immer wieder mal eine gewischt bekommen“, erklärt Klaus Borrmann. Auch die – zumindest anfangs – schwierige Orientierung in den zwei kongruenten Gebäudetrakten mit Verbindern und auf vier Ebenen gehört unweigerlich zu den stärksten Erinnerungen. Oder dass „im Zuge des Neubaus 1971 die Gummistiefel im Dorf ausverkauft“ waren.

„Somit ergeben sich für mich zwei Ansichten“, sagt Klaus Borrmann, „eine sentimentale und eine realistische. Als Kind war das alles hier ein Wahnsinnsabenteuer, auch schon während der Errichtung, als wir in den Fundamenten und der Kanalisation herumgeklettert sind. Andererseits ist es wirklich traurig, dass die Schule nur so relativ kurz, im Grunde ja nur die letzten 20 Jahre DDR, richtig Bestand hatte. Das ist schade und schwierig für den Ort Wefensleben insgesamt, weil Schule eben auch ein wichtiger Standortfaktor für Familien ist.“

Die Abbrucharbeiten – ein Komplettabriss samt Fundamenten – sollen laut Gemeindeverwaltung im Oktober beginnen und dann bis Ende Februar abgeschlossen sein.