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Nitratbelastung Der Bauer als Prügelknabe

Die Nitratbelastung des Grundwassers ist weiter ein Thema. Der Bauernverband Börde kritisiert dabei die Gewässerschutzorganisation VSR.

Von Sebastian Pötzsch 23.01.2017, 00:01

Oschersleben l „Die Ergebnisse der 115 Brunnenwasseruntersuchungen des Vereins VSR belegen, dass 60 Prozent der untersuchten Brunnen eine kleinere Nitratkonzentration als die laut Deutscher Trinkwasserverordnung vorgeschrieben Menge von unter 50 Milligramm pro Liter beinhalten. Dabei liegen 40 Prozent sogar unter 25 Milligramm pro Liter“, ließ Urban Jülich per Pressemitteilung verlauten. Diese Fakten, bezugnehmend auf den Postleitzahlenbereich 393, seien ebenfalls der Statistik des oben genannten Vereins zu entnehmen, welche auf Grundlage der Brunnenwasseruntersuchungen im Internet veröffentlicht wurden. „Leider gibt es dort keine Zertifizierungsnachweise des Labors, Informationen zur Messtechnik und keine aktuellen Messdaten. Die grafische Darstellung der Messergebnisse durch die verwendete Prozentdarstellung ist sehr einseitig“, teilte der Verbandschef mit.

Dass es laut Auswertung des VSR bei einem Prozent der Proben zu einem Wert von über 200 Milligramm pro Liter kommt, lasse „sich sicher nicht auf den gerade in der Nähe wirtschaftenden Landwirt schieben... Das wäre zu kurz gedacht. Warum nicht auch der Gemeindearbeiter mit dem Streusalz von neulich oder die LPG von damals? Schrebergartenanlagen sind deutschlandweit durch ein Überangebot an Nährstoffen belastet“, gibt Jülich zu bedenken. Hinzu komme, dass oberflächennahes Brunnenwasser natürlicherweise mehr von einer Gefahr der Verunreinigung durch Sickerwasser betroffen sei, weil die natürliche Filtrationsschicht für eine Reinigung oder Rückhaltung nicht ausreiche.

„Kunstdünger ist teuer, nur das Nötigste wird ausgebracht. Ständig wird an neuen Technologien gefeilt“, betont der Vorsitzende. Die Ausbringung von Gülle mit sogenannten Jauchekaupen sei zudem längst verboten. Jeder Landwirt müsse jährlich Bodenproben an zertifizierte Labore liefern. So könne anschließend zielgenau und jeweils nach aktuellen Bodenwerten abgemessen die Gülle mit Schläuchen oder der Dünger mit Spritzen ausgebracht werden.

„Pflanzen nehmen nur den Stickstoff auf, den sie zum Wachstum benötigen. Warum sollte mehr gedüngt werden, wenn es nicht nötig ist?“, fragt Urban Jülich. Gleichzeitig räumte er ein, dass an diesen Problemen weiter gearbeitet werde, es aber „immer besser wird“. Das zeigten aktuelle Werte der zuständigen Landesbehörden: Zur Bewertung des Schutzgutes Grundwasser gibt es Messstellen, die in Sachsen-Anhalt vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz, insbesondere dem Gewässerkundlichen Landesdienst, überwacht würden. „Entnommene Proben werden von einem zertifizierten Labor nach DIN-Verfahren analysiert und aufgezeichnet. Und auch diese Listen belegen keine sonderlich erhöhten Werte für die Börde, eine der am intensivsten landwirtschaftlich genutzten Flächen Deutschlands“, unterstreicht der Landwirt aus Hadmersleben und fügt hinzu: „Grundwasser soll und muss geschützt werden. Da sind wir uns alle einig. Dass die Ausbringung von Dünger beispielsweise in Form von Gülle zu den mancherorts erhöhten Werten beigetragen haben, bestreitet niemand“, stellt er weiter fest.

Doch eine zu hohe Viehdichte pro Quadratkilometer zeige im Grunde ein gesellschaftliches Problem auf. Der Verbraucher sollte sich für in der Region aufgezogene Tiere entscheiden, also für Fleisch nach deutschem, sehr streng kontrolliertem Standard erzeugt und verarbeitet.

Harald Gülzow von der Gewässerschutzorganisation VSR hatte dem Grundwasser in der Region eine überdurchschnittlich hohe Belastung mit Nitraten bescheinigt. Zu dieser Einschätzung kam er nach der Auswertung von insgesamt 115 Grundwasserproben aus privaten Brunnen.

Am 2. August hatte der Diplomphysiker mit seinem Labormobil in Oschersleben Halt gemacht und zuvor über die Presse Besitzer und Nutzer von Brunnen eingeladen, Proben ihres Grundwassers zur Analyse einzureichen. Laut seinen Messergebnissen war jede zweite Probe „übermäßig belastet“, also eine Nitratkonzentration oberhalb des zulässigen Grenzwertes von 50 Milligramm pro Liter nachgewiesen worden.

Im Zuge der Auswertung forderte Gülzow ein Umdenken in Politik und Landwirtschaft. Denn als Ursache für die erhöhten Nitratwerte sieht der Fachmann vor allem die Überdüngung der Felder mit Gülle. „Hier bedarf es seit Jahren einer Überarbeitung der Düngeverordnung, die zu einer Verringerung der Düngemengen durch Gülle, Gärreste und Minerale führen soll“, hatte Gülzow erklärt.