1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Raketenzugmaschine aus Leningrad

Schleppertreffen Raketenzugmaschine aus Leningrad

Mit neuen Rekorden ging am Sonntag in Altbrandsleben das Schleppertreffen über die Bühne.Fast 170 Fahrzeuge waren zu sehen.

Von Sebastian Pötzsch 09.08.2016, 01:01

Altbrandsleben l Ganz Altbrandsleben ist am Sonntag erfüllt von knatternden und bullernden Motorengeräuschen. Es riecht nach Öl, Diesel und Benzin. Vor einem riesigen gelben Kirovetz K700A hat sich eine Menschentraube gebildet. Der im Jahr 1978 in Leningrad gebaute Traktor wurde eigentlich als Raketenzugmaschine entwickelt. „In der DDR wurde das Gerät für die Landwirtschaft eingesetzt“, erzählt sein Besitzer Thorsten Sefczik aus Siegersleben.

Doch der absolute Augenschmaus für die Besucher steht direkt daneben und ist viel kleiner. Dabei handelt es sich sozusagen um den kleinen Bruder des gelben Ungetüms. Ronny Reinhardt hat ihn als Modell im Maßstab 1:2 gebaut. „Man muss immer das haben, was andere nicht haben“, sagt der Fan großer Technik.

So habe er gemeinsam mit seinem Vater vor rund eineinhalb Jahren mit dem Nachbau begonnen. „Der ist fahrbereit, jedoch nicht zugelassen“, sagt der Erbauer und führt sein Gefährt sogleich vor. Ein kurzes Röhren und eine schwarze Rauchwolke entsteigt der Abgasanlage – und schon rollt der Riesentrecker dank eines eingebauten Ford-Turbodiesel-Aggregats über das Altbrandsleber Sportplatzgelände.

Unweit der gelben Schlepper steht Peter Erdmann und präsentiert seinen kleinen Schatz. Dabei handelt es sich um einen Piccolo, ein motorisiertes Dreirad für Menschen mit Behinderungen aus DDR-Zeiten. „Gebaut wurden diese Modelle Ende der 1950er Jahre von Luis Krause, dem Hersteller des Krause-Duos“, weiß der Besitzer aus Braunschweig zu berichten. Ursprünglich stamme der Oldtimer-Liebhaber aus Seehausen. So ließe sich seine Leidenschaft für diesen Oldtimer erklären.

Dann ist ein monotones Blubbern zu hören, gleich einem basslastigen, minimalistischen Techno-Sound. „Das könnte ich mir den ganzen Tag anhören“, sagt ein Besucher im Vorbeigehen. Quelle des langsamen, aber gleichmäßigen Blubberns ist der grüne Lanz Bulldog von Jens Stannebein aus Seehausen. „Der wurde im Jahr 1939 gebaut und hat die DDR überlebt“, erzählt der Besitzer. Gefahren sei er unter anderem in Hohendodeleben und Domersleben, bis der Schlepper vor 15 Jahren zu Jens Stannebein kam. „Das ist ein Einzylinder-Motor drin mit 10,266 Litern Hubraum“, beschreibt der stolze Besitzer. Von 100 Traktoren dieser Baureihe würden nur zwei so ruhig laufen wie dieser.

Derweil kommen immer mehr Traktoren und Oldtimer in Altbrandsleben an. Dazu gehört auch ein blauer Nash. „Der wurde im Jahr 1927 in Australien gebaut. Neben einem in Schweden gibt es nur noch meinen in ganz Europa“, sagt Jürgen Wrege aus Hornhausen und ergänzt: „Eigentlich wollte ich einen DKW, habe mich aber aufgrund des niedrigeren Preises für diesen Nash entschieden. Darüber bin ich heute sehr froh.“ Sein Nash habe stolze 54 Pferdestärken.

Über 100 Traktoren haben ihren Weg nach Altbrandsleben gefunden, darunter Marken wie Normag, Mercedes Benz, Fortschritt, Deutz, Kramer, Farmall, Fendt und Lanz. Aber auch Pkws und Lkws werden bestaunt. Dann erreicht ein roter Flitzer den Sportplatz. Kenner wissen gleich, dass es sich dabei um einen sehr seltenen Wartburg-Sportwagen W 313.1 handelt. „Dieser hier wurde im Jahr 1959 gebaut und hat 55 PS“, erzählt Besitzer Lutz Rüdiger Bockisch, der aus Neustrelitz angereist ist. Tatsächlich gehörte sein Auto einst zu den schönsten der Welt, wurde unter anderem in New York, Verona und Wien ausgezeichnet. „Davon wurden nur 469 gebaut. Heute fahren vielleicht noch eine Handvoll auf den Straßen“, sagt Bockisch.

Unterdessen zieht Herbert Wilke, Vorsitzender der Schlepperfreunde Altbrandsleben, die die Veranstaltung organisiert haben, ein positives Zwischenfazit. „Wir sind etwas überrascht, dass heute so viele angereist sind. Wir stoßen so langsam an unsere Kapazität“, erzählt Wilke.

Bis zur Mittagszeit melden er und seine Mitstreiter 125 Oldtimer. „Da sind nur die dabei, die vier Räder haben“, betont der Schlepperfreund. Weitere 50 Motorräder werden ausgestellt, von AWO über BMW bis hin zur MZ. Aufgrund des Erfolgs in diesem Jahr wagt Herbert Wilke schon einmal einen Ausblick: „Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.“