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Lesung Vom großen Heimweh nach der Liebe

Die Hamburgerin Rosl Reddy war am Dienstag im Krumker Kavaliershaus zu Gast. Sie las aus einem autobiografischen Roman.

Von Jana Henning 09.03.2016, 18:00

Krumke l Es gibt Namen, die sofort etwas auslösen. Rosl Reddy ist so einer. Das kann nur ein Künstlername sein. Zu harmonisch rund und gleichzeitig abgefahren der Klang. Rosl Reddy – ja, wer so heißt, schreibt Bücher namens „Ganesha wirft das Handtuch und schlürft Sekt auf Sylt“. Das passt!

Und wie, davon überzeugten sich am Dienstag rund 60 Frauen im Krumker Kavaliershaus. Anlässlich des Frauentages organisierte Betreiberin Annegret Spillner eine autobiografische Lesung mit der 72-jährigen Hamburgerin, die ihr vor vier Jahren erschienenes Erstlingswerk präsentierte. Mit einer gehörigen Prise trockenen Humors nimmt Reddy sich und die Irrwege ihrer Suche nach dem Glück, spiritueller Freiheit und der großen Liebe aufs Korn. Fröhlich weise und vor allem echt, wie es nur eine Frau kann, die mit sich im Reinen ist, ihre Emotionen zulassen will und einzuordnen weiß. Die sich nicht abgefunden hat mit dieser prägenden Episode ihres Lebens, sondern diese annimmt, milde ist mit sich und ihrem Ex-Mann und nur deshalb mit klarem Blick auf die Verstrickungen von damals schauen kann. „Und meine Lieben, wir reden hier von meiner indischen Episode vor 50 Jahren“, löst die jung wirkende Reddy immer wieder den Blick von einer der knapp 300 Taschenbuchseiten, wechselt auflockernd vom Vorlesen in den direkten Dialog, baut erklärende Abschnitte ein. Wie es ihr gerade in den Sinn kommt.

Apropos spontan… „Ich war 18, Studentin, fühlte mich Buddha sehr nahe und hielt flammende Reden über östliche Spiritualität“, bringt Reddy als Entschuldigung an, als sie 1962 auf den in Deutschland studierenden Inder Mano trifft. Er hält einen Vortrag über Hinduismus, „ein Blick in seine schwarzen Augen gibt mir das Gefühl von angekommen sein“, zitiert die kürzlich in Rente gegangene Immobilienmaklerin aus ihrer Autobiografie. Wobei sie mit der Flüchtlingssituation auch aktuelle Ereignisse einfließen lässt. Denn so habe sie sich gefühlt, als sie mit nahezu nichts in der Hand und schon gar nichts auf dem Konto nach Indien fliegt. „Oneway natürlich, denn mein Glaube war stark“. Dort habe niemand auf sie gewartet. „Mano sollte eine gute indische Partie heiraten“. Auf die Zuhörerinnen prasselt eine Flut schicksalhafter Wendepunkte ein. Es folgen Stationen in Holland und Deutschland, um wieder in Indien zu landen. Ein zweites Mal, wieder ohne Rückflugticket. Inzwischen war Mira geboren. „Herzlichen Glückwunsch, ein hässliches indisches Mädchen“, wie die Hebamme herabfällig feststellt. Schlimmer noch die Reaktion der Schwiegereltern, die ihren ersten Enkel nicht einmal anfassen wollten. Ob sie ihren Mano geheiratet habe, ohne Segen? „Ja, das ist ja das Problem“, sagt sie, „von da an ging alles bergab!“.

Reddy versteht sich auf Dramaturgie, vermeidet dabei gekonnt Traurigkeit – das wolle sie auch nicht. Nur eins: das alles verewigen. „Für meine Tochter“. „Ich habe damals alle Barrieren runtergetrampelt“, und diese Stärke, diese „Überzeugung, dass alles seinen Sinn hat – diese Hoffnung, wissen Sie….“, muss es gewesen sein, die sie nicht hat griesgrämig werden lassen. „Er konnte sich nicht gegen mich wehren, der arme Mann“, lacht Reddy herzlich und klingt so gar nicht bitter, wenn sie über das persönliche Scheitern sinniert.

Doch da ist etwas… Ein scharf-würziger Geschmack auf der Zunge. Der namens Leben. Klar, „Indien hat mehr Faszination als Krumke“, aber es gehe hier wie da um die selbe Sache: das Suchen und Finden der eigenen Identität. So schließt sie ihre Lesung, die eine Verneigung vor den Höhen und Tiefen des Lebens und vielleicht einem stillen Heimweh nach Liebe ist. Nach dem „offiziellen Teil“ zieht es sie hinein in den Kreis der Zuhörerinnen, wo noch lange gemeinsam gesessen und geschnackt wird.