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Milch in der Krise Betrieb stellt Milchproduktion ein

Seit über einem Jahr liegt der Milchpreis unter den Produktionskosten. Das Unternehmen Thomsen in Düsedau zieht einen Schlussstrich.

Von Astrid Mathis 05.08.2016, 01:01

Düsedau l „Du wirst die Milch los, aber der Preis ist zu stark gefallen“, sagt Constanze Thomsen, deren Herz besonders an den Kühen hängt. Gut 22 Cent pro Liter sind auf lange Sicht einfach zu wenig. Seit im April 2015 die Quote abgeschafft wurde, nach der jeder Landwirt entsprechend seiner Quotenzuteilung Milch produzieren durfte, kam vor allem aus den umliegenden Ländern mehr Milch als zuvor. Die Konstanz fehlt im freien Markt eben. Dazu noch der Russland-Boykott sowie die Ölpreiskrise, die dazu führte, das von erdölproduzierenden Ländern weniger Milchprodukte importiert wurden.

Weitere vorgesehene Änderungen und Neuregelungen verteuern zusätzlich die Produktion. Beispielsweise wäre der Betrieb gezwungen, ein zusätzliches Güllelager zu bauen, weil die Lagerfrist verlängert werden soll. Bis 2015 hatte der Betrieb 240 Milchkühe. Die Konsequenz: Reduktion auf 130 Milchkühe, Umstellen auf Melkroboter, Abbau von Arbeitskräften.

„Wir ziehen die Notbremse, solange wir noch nicht mit dem Rücken zur Wand stehen“, erklärt Constanze Thomsen mit ernstem Blick. „Man hat gehofft, dass es bis Weihnachten besser ist, dann bis Sommer. Jetzt wird bald wieder Weihnachten.“ Wenn es nach Jochen Thomsen geht, wird am 24. Dezember keine Kuh mehr gemolken. Beide sind sich darüber einig, die Milchproduktion langsam ausgleiten zu lassen. Die tragenden Kühe kalben noch ab. Ihre kräftigen Kühe Shira, Olga und Mercedes will Constanze Thomsen auf jeden Fall erst mal behalten. Auch ihre alte Kuh James Bond, die im September das elfte Kalb erwartet. „Ich kann mich nicht trennen“, gibt sie zu. Auch nicht von Ernie und Bert, weil sie so schön „vertappelt“ sind.

Über Jahre konnten sich Schulkinder in Düsedau ein Bild davon machen, woher die Milch kommt. Constanze Thomsen pflegte Kontakt zur Grundschule, Sekundarschule und zum Gymnasium Osterburg, zur Kita „Jenny Marx“, zur biesestädtischen Kinderfeuerwehr und dem Kindergarten in Walsleben. Auch die jungen Besucher durften ab und zu einen Namen aussuchen.

Die Kühe hat sie einst von ihrem Schwiegervater übernommen, der schon in seiner Heimat Schleswig-Holstein Tiere züchtete. Letztlich hat Constanze Thomsen dafür auch ihre Ausbildung gemacht. Nachdem sie an der HU in Berlin Landwirtschaft mit Schwerpunkt Tierproduktion studiert hatte, sollte sie 1996 bei der Landberatung einsteigen und wohnte während der Einarbeitungszeit gut zwei Monate bei Thomsens in Erxleben, um in Brandenburg ein Büro zu eröffnen. Das übernahm sie zwar auch für zwei Jahre, aber es blieb nicht bei einem Zimmer bei Familie Thomsen in der Altmark. Der staatlich geprüfte Landwirt aus Süderbrarup und die tierliebende Wahl-Altmärkerin aus Luckenwalde schlossen den Bund fürs Leben. Ihre Kinder Carola (1998), Julian (1999) und Jan-Hendrik (2005) machten das Familienglück perfekt. Und natürlich blühen auch sie in der Landwirtschaft auf.

„Es ist schade, aber wir haben nicht mehr das Vertrauen, dass man in Deutschland über Generationen nachhaltig und zu vernünftigen, fairen Preisen Milchproduktion betreiben kann.“, formuliert die Landwirtin und fügt hinzu: „Wir hatten mit den Milchwerken Stendal über mehr als sechs Jahre eine sehr gute Zusammenarbeit.“

Dass so viele Unternehmen mit der Milchproduktion aufhören, ja, müssen, nimmt sie richtig mit. 1995 gab es im Landeskontrollbereich Osterburg 104 Milchviehbetriebe, mit Stand September 2015 waren es schon nur noch 43. „Wir sind ein Grünlandstandort. Die Region ist doch geprägt von der Landwirtschaft! Ich finde, in der Altmark werden immer mehr Strukturen zerschlagen, auch Familienstrukturen“, merkt sie nachdenklich an, „in Polkau und Erxleben haben sie schon aufgehört. Und jetzt auch wir in Düsedau.“