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Schulprojekt Gymnasiasten mischen sich ein

Das Osterburger Gymnasium trägt seit einem Jahr den Namen "Schule ohne Rassismus". Eine Schülergruppe gibt diesem Titel einen Inhalt.

Von Nico Maß 23.09.2015, 15:15

Osterburg l Gewöhnlich rücken sie „Dauerbrenner“ wie Mobbing oder Rechtsextremismus ins Scheinwerferlicht. In diesen Tagen zeigen Tobias Kleinloff und Willi Splettstößer aber auch in der Flüchtlingskrise Flagge. Für sie ist es selbstverständlich, „dass unser Land und damit natürlich auch Osterburg Flüchtlinge aus von Kriegen zerfurchten Staaten wie Syrien aufnimmt und ihnen hilft, sich bestmöglich bei uns zu integrieren.“

Diese Meinung wird auch im Markgraf-Albrecht-Gymnasium nicht von allen geteilt, berichten die beiden Zwölftklässler. Das zeige sich in kontrovers geführten Diskussionen auf dem Pausenhof und in Schulfluren, in den meisten Unterrichtsstunden sei das Flüchtlings-Thema bislang eher nur eine Randnotiz, bedauern sie.

Klar Position zu beziehen, ist für Tobias Kleinloff und Willi Splettstößer nicht neu. Seit die Lehrer Michaela Steinke und Fabian Kröhnert 2013 den Anstoß für das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gaben, sind sie den Weg mitgegangen. Der endete nicht, als das Gymnasium im September 2014 mit dem Ehrennamen ausgezeichnet wurde. Vielmehr setzt die aktuell aus zehn Schülern aus verschiedenen Klassenstufen bestehende Projektgruppe seitdem neue Initiativen in die Tat um.

Ein Beispiel dafür überraschte an einem März-Montag Mitschüler und Lehrer. Denn zu Unterrichtsbeginn zierten Sprüche wie „Jeder Mensch ist Ausländer – fast überall“ oder „Nazis essen heimlich Döner“ jede Schultafel. „Diese Idee hatten wir von Schülern aus Erlangen, mit denen wir uns zuvor in Leipzig zum Erfahrungsaustausch trafen“, erzählte Fabian Kröhnert. Am Freitagnachmittag nach der letzten Unterrichtsstunde wurden die Tafeln beschrieben, am Montag sorgten sie für Gesprächsstoff. „Sicher nicht in allen Räumen. An manchen Tafeln blieben die Sprüche aber sogar bis zum Nachmittag stehen. Ich weiß von einem Chemielehrer, der seine Tafel mit Formeln vollschrieb, aber immer um unseren Spruch herum“, sagte Tobias Kleinloff schmunzelnd.

In einem anderen Projekt legt die Gruppe Ausdauer an den Tag. Und verlässt das Schulgrundstück. An der Breiten Straße soll ein Stolperstein an diese von den Nazis im Dritten Reich aus rassistischen Gründen verfolgte jüdische Familie ernnern. Die Initiative ist schon weit gediehen. „Eigentlich fehlt uns nur noch das Geburtsdatum des Familienvaters Moritz Less“, sagte Willi Splettstößer, der darauf hofft, „dass der Stolperstein noch in unserem letzten Schuljahr seinen Platz vor dem früheren Wohn-und Geschäftshaus der Familie Less findet. Das ist unser Ziel.“

Neben Initiativen wie diesen ist dann noch die „Alltagsarbeit“. Einmal wöchentlich treffen sich die Mitglieder der Gruppe. Und sprechen über Themen wie Mobbing. „Klar, das gibt es leider auch in unserem Gymnasium“, sagt Tobias Kleinloff. Wenn Mobbing-Opfer Mut fassen, sich zu öffnen und anderen anzuvertrauen und wenn die Zahl der Vorfälle am Gymnasium nach Meinung der beiden Zwölftklässler zurückgeht, zeigt ihnen das: „Einmischen lohnt sich.“

Als Unterstützer wissen die beiden Zwölftklässler die Lehrer Michaela Steinke und Fabian Kröhnert sowie seit diesem Unterrichtsjahr auch die neue Schulsozialpädagogin Steffi Wecke an ihrer Seite. Wegbegleiter, bei denen Tobias Kleinloff und Willi Splettstößer ganz besonders herausstellen, „dass wir im Rahmen unseres Projekts voll auf Augenhöhe agieren.“

Trotz der noch kurzen gemeinsamen Zeit habe die Gruppe auch schon sehr von Steffi Wecke profitiert. „Sie hat uns beispielsweise ermöglicht, dass wir an einer eigentlich als Lehrerfortbildung gedachten Veranstaltung im Theater der Altmark in Stendal teilnehmen konnten“, berichteten sie. Ebenfalls auf Vermittlung der neuen Schulsozialpädagogin nahmen Mitglieder der Projektgruppe am gestrigen Mittwoch an einem Austausch in Magdeburg teil, der dort aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz Sachsen-Anhalt über die Bühne ging.

Steffi Wecke bleibt voraussichtlich mindestens bis 2020 am Gymnasium. Und dürfte das Projekt so auch dann noch unterstützen, wenn Tobias Kleinloff und Willi Splettstößer die Schule längst verlassen haben. Die beiden Zwölftklässler wünschen sich, dass das Projekt Bestand hat und weiter mit Leben erfüllt wird. Dafür treffen sie übrigens auch selbst Vorsorge. „Denn natürlich suchen wir nach Schülern, die gern bei uns mitarbeiten wollen.“

Mehr zur Gruppe findet sich im Internet unter www.gymnasiumosterburg.de oder bei Facebook unter SOR-Osterburg