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Kunsthaus-Premiere Hände, Raben und winzige Steine

Wölfe, überlebensgroße Raben, kunstvolle winzige Steine, tönerne Hände und ein Wal: Amerikaner arbeiten in Hilmsen an Kunstwerken.

Von Anke Pelczarski 10.07.2015, 03:00

Hilmsen l Es wird eine besondere Ausstellung, die am Mittwoch, 15. Juli, ab 19.30 Uhr im Foyer des Salzwedeler Kunsthauses zu sehen sein wird. Eine Schau für wenige Stunden. Denn noch sind die Umbauarbeiten am einstigen Lyzeum nicht beendet. Aber Studenten und Professoren aus Amerika, die derzeit in Hilmsen leben und arbeiten, werden dort präsentieren, was sie während ihres Aufenthaltes geschaffen haben.

Rachel Gardner, die ihr Studium an der Houston Baptist University abgeschlossen hat, wird einige Installationen zeigen. Diese beschäftigen sich mit der Symbiose im Tierreich. Der Rabe sieht ein verendetes Tier, lockt Wölfe an, die die Beute aufreißen und hat dann selbst Nahrung. Sie nutzt Äste und andere Fundstücke aus der Altmark. „Mir geht es hier wie im Himmel“, begründet sie ihren zweiten Aufenthalt im Atelierhaus Hilmsen. Sie könne hier gut durchatmen.

Hillaree Hamblin mag es etwas kleiner: Steine sind die Grundlage für ihre Arbeiten. Diese bringt sie mit Salzlake zusammen und lässt die Mineralien schimmern. Für sie sei es der erste Aufenthalt in Deutschland: Vor allem Spaziergänge in den Wald mag sie. Denn dort findet die Studentin das Material für ihre Arbeiten.

Mit Malerei beschäftigt sich Nancy Johnson. „Je länger ich hier bin, um so freier kann ich arbeiten“, gesteht sie. Auf ihren Werken sind auch überdimensionale Ameisen zu sehen. Denn diese seien durchs Atelier gelaufen, begründet sie die Wahl dieses Motivs für einige ihrer Ölbilder, die sie auf besondere Weise bearbeitet. Sie sei 2009 schon einmal in Berlin gewesen, als 20 Jahre Mauerfall gefeiert worden sei. In der Altmark gefalle es ihr sehr gut. „Hier ist es friedlich. Es gibt tolle Leute. Und ich habe den Kopf frei fürs Arbeiten“, erzählt sie. Das Zusammensein mit anderen Künstlern sei für sie sehr motivierend.

Laura Sprague ist Keramikerin. Sie hat 30 Hände aus speziellem schwarzen Ton geformt. Inspiriert worden sei sie zu dieser Arbeit durch den Besuch des einstigen Konzentrationslagers Buchenwald. „Hände zeigen Gefühle“, begründete sie, warum sie sich gerade mit diesem Körperteil auseinander gesetzt hat.

Stephanie Darling hat sich einen anderen Raum gesucht für ihre Arbeit. Denn sie will einen Wal darstellen, der langsam vergeht. Dieser diene anderen Tieren noch für 50 bis 80 Jahren als Nahrungsquelle, habe sie gelesen. Die Masterstudentin, die vor vier Jahren schon einmal in Hilmsen gearbeitet hat, unterstützt ihren Professor Hans Molzberger bei der Arbeit an der Houston Baptist University. „Ich fühle mich wie zu Hause, als ich wieder hierher gekommen bin“, schildert sie. Hier habe sie die Freiheit, ihre Ideen auszuleben.

Sheila Swift-Kahe arbeitet mit Transparentpapier, auf das sie mit Tusche zeichnet. Sie vereint dieses mit einem besonderen Hintergrund: einem Scan von ihrem Gehirn. Bei ihr sei als 13-Jährige ein Gehirntumor festgestellt worden. Die Ärzte schätzten, dass sie nur noch drei Monate zu leben habe. „Heute bin ich 33 und habe drei Kinder“, freut sie sich darüber, dass sich die Mediziner getäuscht haben. Ihr Mentor Virgil Grotfeldt, der ebenfalls einen Gehirnturmor hatte, habe den Kampf nicht gewonnen. Mit ihm habe sie viel Zeit verbracht. Die Arbeit, die sie jetzt erschaffe, sei auch als Erinnerung an ihn gedacht, merkt Sheila Swift-Kahe an und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Ihre Tochter, fügt sie hinzu, habe sie gefragt, warum das Gehirn fotografiert wurde und hatte auch gleich eine Antwort parat: wohl, um die Kunstideen ihrer Mama frühzeitig zu erkennen.

Ricardo Ruiz, der an der Universität in Corpus Christi gerade seinen Bachelor-Abschluss gemacht hat, hat sich der Malerei verschrieben. Auf den Aquarellen sind Sagengestalten und Monster zu sehen. Auf diese Weise erforscht der junge Mann seine eigene Kultur. Dies habe einen familiären Hintergrund. Denn er habe mexikanische, amerikanische Wurzeln sowie auch Einflüsse der Indianer. Seine Deutschland-Premiere genießt Ricardo Ruiz. „Wenn man aus Amerika kommt, kann man Unterschiede feststellen“, sagt er und fügt erklärend hinzu: „Hier ist eine größere Gleichheit im sozialen Leben zu beobachten als in den USA.“

Donnerstagabend haben sich die amerikanischen Gäste das Foyer im Kunsthaus angesehen. Jetzt wissen sie, wie sie ihre Arbeiten am besten anordnen. Dann wird weiter fleißig gewirbelt. Bis zum 15. Juli ist nicht mehr viel Zeit.