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Sprachverständnis Nicht mehr „durchmogeln“

Dass Erwachsene nicht Lesen und Schreiben können, ist nicht so selten, wie viele vermuten. Ein Kurs hilft ihnen aus dieser Misere.

01.10.2015, 23:01

Salzwedel l Schwächen zuzugeben, ist schwer und sie zu überwinden noch viel mehr. In Sachen Analphabetismus wird in Salzwedel nun schon seit fast zwei Jahren Abhilfe geschafft. Die Ländliche Erwachsenenbildung Altmark veranstaltet unter dem Namen „Förderung von Grundkompetenzen für Langzeitarbeitslose“ in Kooperation mit dem Jobcenter Kurse für Menschen mit Defiziten im Sprachverständnis.

Dabei geht es nicht nur um das Lesen und Schreiben, denn viele Kursteilnehmer können dies bereits. Es geht auch darum, das Gelesene und Geschriebene zu verstehen und zu hinterfragen. Die Organisatorin und pädagogische Mitarbeiterin Carola Schmidt erklärt: „Wir versuchen mit den Kursteilnehmern das Lesen und Schreiben in Verbindung mit alltäglichen Dingen wie dem Ausfüllen von Anträgen oder dem Bestellen einer Fahrkarte an einem Automaten zu üben. Also Situationen, die sie im täglichen Leben vor Herausforderungen stellen.“

Mit zwei weiteren Lehrkräften leitet sie die Kurse mit maximal acht Personen. Da jeder auf einem anderen Stand des Sprachverständnisses ist, ist diese geringe Anzahl an Teilnehmern optimal, um auf jeden Schüler individuell eingehen zu können. Ein weiterer Vorteil des Kurses ist der Zusammenhalt und die Unterstützung untereinander.

Viele Teilnehmer treffen zum ersten Mal auf andere Analphabeten und sehen, dass sie damit nicht alleine sind. So auch Eckhardt (44): „Hier fühle ich mich zum ersten Mal ernst genommen.“ Seit der ersten Klasse hat er Probleme mit der deutschen Sprache und „mogelt sich seitdem durchs Leben“, wie er anfügt.

Ähnlich erging es Marcel (40), der seine Schwäche bis zur fünften Klasse verstecken konnte. „In der Schule konnte ich mit dem Druck nicht umgehen und stellte auf stur. Dadurch verlor ich immer mehr den Anschluss. Hier bin ich befreiter. Hier gibt es keinen Rotstift“, sagt er.

Zusammen mit den Lehrern beschlossen sie, den Rotstift aus dem Klassenzimmer zu entfernen. Und auch Druck auszuüben ist ein „No-Go“. „Wenn wir merken, dass es einem Teilnehmer zu viel oder zu schnell wird legen wir Pausen ein oder gehen in eine spielerische Art des Lernens über“, erklärt Schmidt.

Seit 2013 lief der Kurs und es sollen viele weitere folgen. Als witzige Einlage schenkten die Absolventen ihrem Lehrer einen Rotstift zum Abschied.

Interessenten können sich telefonisch unter 03901/42 33 00 bei Carola Schmidt melden oder einfach einen kommenden Kurs unverbindlich ausprobieren.