1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. „Wir leben hier mit der Trommel“

Podiumsdiskussion „Wir leben hier mit der Trommel“

„Den ländlichen Raum zukunftsfähig gestalten“ hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung ihre Veranstaltung in Salzwedel überschrieben.

Von Uta Elste 24.10.2015, 03:00

Salzwedel l Die Frage, was in Sachsen-Anhalt ländlicher Raum ist, konnte Anne-Marie Keding klar beantworten: „Aus Sicht der Europäischen Union alles außer Magdeburg und Halle.“ Sie finde es auch nicht richtig, den ländlichen Raum nur als Ergänzung für urbane Zentren zu sehen, so die Staatssekretärin des sachsen-anhaltischen Landwirtschaftsministeriums. Sicher würden sich Universitäten, Forschung und bestimmte Einrichtungen in Städten befinden. Aber der ländliche Raum sei auch ein Wirtschaftsstandort. Dort befinden sich immerhin 60 Prozent aller Unternehmen im Bundesland. Entscheidend sei, dass Regionen wissen, wohin sie ihr Weg führen solle, so Keding und erinnerte an das Integrierte Ländliche Entwicklungskonzept (ILEK) als Planungsinstrument. „Die Entwicklung muss aus der Region selbst kommen“, betonte Keding. Das Warten auf den Investor von außen sei keine Option.

Moderator Peter Fernitz hatte zuvor auch die speziellen Probleme des ländlichen Raumes benannt. Unter anderem wies er auf die Kosten hin, die sich etwa für den Öffentlichen Personennahverkehr in einem dünn besiedelten Gebiet wie der Altmark ergeben. Auch die Versorgung der Menschen in den Dörfern ist ein Thema für sich. Seit Mitte der 1990er Jahren sind Mitarbeiter der Salzwedeler Baumkuchen GmbH mit Bäckerwagen auf Verkaufstouren mit Distanzen bis zu 60 Kilometern unterwegs, berichtete Rosina Bachert, Geschäftsführerin des Unternehmens. Nicht nur die Strecken der Verkaufstouren, sondern auch die Erfahrungen im privaten Umfeld zeigten ihr immer wieder die Verkehrsanbindung der Altmark als größten Nachteil an. Das sah auch Jübars Bürgermeister Carsten Borchert so, der unter dem Applaus der Zuhörer eine vierspurig ausgebaute Bundesstraße 71 forderte. Borchert fügte der unzureichenden Infrastruktur für den Straßenverkehr auch gleich noch die für den Datentransfer und den Mobilfunk hinzu und resümierte: „Wir leben hier doch noch mit der Trommel.“

Ländlicher Raum und Landwirtschaft sind heute zahlreichen Einflussfaktoren ausgesetzt, machte Christian Schmidt, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Siedenlangenbeck, deutlich. Diese reichen vom Preisdiktat der Grohandelsketten über eine Vielzahl von Gesetzen bis hin zu politischen Entscheidungen wie dem Embargo gegen Rußland. „Aufgrund der Preissituation haben wir bei uns einen Investitionsstopp verhängt“, sagte Schmidt. Leidtragende seien dadurch die ortsansässigen Firmen, die keine Aufträge erhielten. Zudem seien in der Landwirtschaft längst nicht mehr so viele Arbeitskräfte beschäftigt wie einst. „Ein Mitarbeiter ist heute für 60 Kühe verantwortlich“, sagte Schmidt.

Der Wandel sei damit noch längst nicht beendet, prophezeite Hasso von Blücher, Vostandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Altmark, und richtete den Blick in die USA. In den dortigen Labors würden die Steaks inzwischen in der Petrischale wachsen. „Die Veränderungen werden dramatisch sein.“

Von Blücher sprach sich dagegen aus, Firmen und Branchen zu subventionieren und schlug statt dessen Steuerregelungen vor, für Risikokapital statt Fördermittel. Die Voraussetzungen für das Entstehen neuer Firmen in der Region verglich Hasso von Blücher mit dem Aufhängen von Nistkästen. Dann müsse auch alles getan werden, um dafür Vögel anzulocken.