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Dokumentation Verliebt, verlobt und über Nacht verloren

Eine Dokumentation berichtet über die Liebe zwischen jungen Frauen aus der DDR und Männern aus Nordkorea.

Von Walter Mogk 07.11.2015, 02:00

Beetzendorf l Ein weitgehend unbekanntes Kapitel Zeitgeschichte wird am morgigen Sonntag um 18 Uhr im Salzwedeler Filmpalast aufgeblättert. Im Dokumentarstreifen „Verliebt, verlobt, verloren“ der Regisseurin Sung Hyung Cho geht es um die Beziehungen zwischen nordkoreanischen Studenten und jungen Frauen in der DDR der 50er Jahre – eine Liebe, aus der nicht selten Kinder hervorgingen, die ihre Väter nie richtig kennenlernen durften. Denn Anfang der 60er Jahre zog Nordkorea seine während des Koreakriegs zur Ausbildung in die sozialistischen Bruderstaaten entsandten Studenten über Nacht ab.

Zu denjenigen, die sich während ihrer Studentenzeit an der Pädagogischen Schule in Magdeburg in einen der jungen Koreaner verliebte, gehört auch die Beetzendorferin Marion Lauenroth. „1958 war es, wir waren zum Tanzen eingeladen, da habe ich ihn kennengelernt“, erinnert sie sich im Volksstimme-Gespräch. Dze-Hoan Song, wie Lauenroth damals 20 Jahre alt, studierte an der Technischen Hochschule Chemieapparatebau. Die junge Liebe hatte Folgen: 1960 kam Tochter Karen zur Welt. Heiratspläne wurden geschmiedet, doch eine Trauung war nur in Nordkorea möglich. Für die junge Marion kein Problem. „Ich habe ihm gesagt, dass ich mit ihm in seine Heimat gehen würde“, berichtet sie.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Im Sommer 1962 bekamen alle nordkoreanischen Studenten in der DDR von ihrem Staat die Order, sofort zurückzukehren. Ein Schock für Marion Lauenroth, die gerade mit dem gemeinsamen Sohn Gunar schwanger war und im Krankenhaus lag. „Er kam zu mir, saß weinend an meinem Bett und sagte mir, dass er zurückfahren muss“, erinnert sich die Beetzendorferin. Einen Ausweg gab es nicht, nur das Versprechen, so bald wie möglich hinterher zu kommen. Doch auch das war nicht möglich. „Wir hatten anfangs noch Briefkontakt, doch der brach dann auch ab“, erzählt Marion Lauenroth.

Für die Beetzendorferin, die lange Jahre in Salzwedel lebte und dort schließlich heiratete, war das Kapitel eigentlich abgeschlossen. Doch Karen und Gunar, die beiden Kinder, hatten immer den Wunsch, ihren leiblichen Vater noch einmal zu sehen und sich auf die Suche nach ihm zu machen. „Sie haben es über das DRK versucht und nach der Wende sogar über eine Suchsendung im Fernsehen, doch ohne Erfolg“, berichtet Marion Lauenroth.

Dann erschien 2007 im Spiegel die Geschichte von Renate Hong, die nach 46 Jahren ihre Jugendliebe in Nordkorea ausfindig gemacht und wiedergetroffen hat. „Mein Sohn hat mich gleich angerufen und mir ganz aufgeregt von dem Artikel erzählt“, erinnert sie sich. Sofort nahmen die Lauenroths Kontakt zu der Jenaerin auf und stießen durch sie schließlich auf den Verein Deutsch-Koreanischer Familien, in dem sich viele mit einem ähnlichen Schicksal zusammengeschlossen haben.

Mit Hilfe der neuen Kontakte startete schließlich eine neue Suche. 2012 kam dann endlich Post vom Roten Kreuz, allerdings mit einer schlechten Nachricht: Dze-Hoan Song sei nicht mehr am Leben. „Trotzdem wollte meine Tochter nach Nordkorea, um zumindest das Grab ihres Vaters aufzusuchen“, erzählt Marion Lauenroth, die selbst zunächst die Reise scheute.

Sicherheitshalber habe sie ihren Namen aber doch auf die Liste setzen lassen. Ein Wink des Schicksals, denn 2013, zehn Tage, bevor Tochter Karen gen Korea aufbrechen wollte, kam erneut Post. „Sie hat mich angerufen und mir gesagt: Mutti, setz dich hin, er lebt doch“, so die Beetzendorferin.

Eine Computerpanne habe zu der falschen Auskunft geführt. Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle, aber jetzt war klar: Marion Lauenroth musste fahren. Das Visum war schnell besorgt - nur Sohn Gunar, der auch gern mit wollte, aber nicht auf der Liste stand, musste zu Hause bleiben.

In der Hauptstadt Pjöngjang kam es zum Wiedersehen. Als Treffpunkt war die Lobby des Hotels ausgemacht, in dem die beiden Deutschen untergebracht waren. „Auf dem Weg nach unten fing mein Herz an zu pochen. Und dann sagte plötzlich eine Stimme zu mir ‚Marion, hier bin ich’“, erzählt die 77-Jährige.

Das Deutsch des älteren, hageren Mannes ist immer noch hervorragend und er hat ein Bild mitgebracht, auf dem er mit seiner Jugendliebe und Tochter Karen in glücklichen Zeiten zu sehen ist. „Das hat er über all die Jahre immer in seinem Herzen getragen, gestand er mir“, so Lauenroth, für die dieses Wiedersehen nach 51 Jahren ein ebenso bewegender Moment war wie für ihre Tochter, die endlich ihren Vater in die Arme schließen konnte. Im Mai 2014 erfüllte sich dann auch für Gunar sein sehnlichster Wunsch. Gemeinsam mit Frau und Tochter besuchte er seinen Vater. „Er hat die gleiche lebhafte Art wie er“, schmunzelt Marion Lauenroth, die noch einmal im Oktober vorigen Jahres mit der ganzen Familie nach Nordkorea aufgebrochen ist.