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Stadtumbau Salzwedel Der Eine-Million-Euro-Fehler

Die Stadt ging über Jahre davon aus, dass Stadtumbau-Ost-Antragsteller Drittmittel selbst aufbringen dürfen. Ein Irrtum mit Folgen.

Von Alexander Walter 22.04.2016, 01:01

Salzwedel l Das Liquiditätskonzept ist noch nicht beschlossen, da tut sich schon das nächste Haushaltsloch auf: Wie die Volksstimme gestern erfuhr, muss Salzwedel wohl nachträglich für Drittmittel aufkommen, die seit 2012 für die Sanierung von Kunsthausgebäude, Jugendkirche sowie für ein Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft geflossen sind. Insgesamt handelt es sich um rund eine Million Euro, sagte Salzwedels Bürgermeisterin Sabine Blümel am Mittwoch im öffentlichen Teil des Hauptausschusses. Konkretes besprach sie mit den Fraktionen im nichtöffentlichen Teil.
Hintergrund für die Zahlungsverpflichtungen sind nach Volksstimme-Information rechtliche Vorgaben zur Umsetzung von Projekten über das Förderprogramm Stadtumbau Ost. Bei Aufwertungsmaßnahmen, wie im Fall des Kunsthauses, sieht das Programm vor, dass Bund, Land und Kommune jeweils ein Drittel der Gesamtsumme aufbringen müssen.
Genau hier aber liegt das Problem: Der Stadtrat hatte Anfang 2012 beschlossen, dass städtisches Geld nicht als Drittmittel für die Sanierung des Kunsthauses in Frage kommt. Die damalige Oberbürgermeisterin Sabine Danicke und ihre Kämmerin Hella Jesper hatten zuvor erklärt, dass ausschließlich die Antragsteller für die Einwerbung der Drittmittel verantwortlich sind, im Fall des Kunsthauses also die spätere Kunststiftung. Bekannt war bislang, dass die Stadt Drittmittel in Höhe von 450.000 Euro trotzdem zahlte.
Neu ist nach der Sitzung des Hauptausschusses am Mittwoch: Niemand anderes als die Stadt kann die Drittmittel aufbringen. So sieht es die Rechtslage des Förderprogramms vor. Sabine Danicke und Hella Jesper kannten diese Regelung also entweder nur ungenügend oder sie gaben sie falsch wieder, als sie 2012 vor dem Stadtrat garantierten, die Förderung des Kunsthauses erfolge nur, wenn die Initiatoren die Drittmittel selbst aufbrächten. Die Konsequenz: Auch für andere Stadtumbau-Ost-Projekte seit 2012, in denen Antragsteller als Einwerber von Drittmitteln auftauchten, muss die Stadt zahlen. Die Antragsteller können ihre Forderung jederzeit geltend machen.
Konkret betroffen sind ein Projekt zur Gestaltung der Außenanlagen am Kunsthaus über 300.000 Euro – womit die städtischen Gesamtausgaben für das Kunsthaus auf 800.000 Euro steigen – die Sanierung der Jugendkirche und ein Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft über etwa 350.000 Euro.
In einem anderen Licht erscheinen vor diesem Hintergrund vier Bescheide der Stadt aus den Jahren 2012 bis 2014, in denen die Verwaltung die Kunststiftung über die Gewährung von Fördermitteln aus dem Programm Stadtumbau Ost informierte. Im ersten Schreiben vom 20. Dezember 2012 berichten die Unterzeichnerinnen Sabine Danicke und die für Stadtumbau Ost zuständige Mitarbeiterin Ines Kahrens noch darüber, dass Bund und Land jeweils 150.000 Euro Fördergeld für die Kunsthaussanierung bewilligt haben. Aber: „Die Bewilligung erfolgt unter der Bedingung, dass die Stiftung Kunsthaus Salzwedel die erforderlichen Drittmittel (...) aufbringt.“
Mit gleichlautendem Passus formuliert ist ein Brief vom 28. Oktober 2013, in dem Danicke und Kahrens über die Bewilligung weiterer 700.000 Euro informieren.
Die beiden letzten Briefe vom 3. Juli 2014 lesen sich dagegen wie Korrekturschreiben.
Beide nehmen zu je einem der vorangegangenen Briefe Bezug. Diesmal allerdings fehlt der Passus, dass die Kunststiftung die erforderlichen Drittmittel selbst aufzubringen habe. Stattdessen schreiben Bauamtsleiterin Martyna Hartwich und Ines Kahrens jeweils: „Die Bewilligung der Fördermittel erfolgt in Form einer Anteilsfinanzierung.“ Die Fördersummen tauchen anschließend nicht aufgeschlüsselt nach Bund, Land und Drittmittelgeber, sondern nur noch als Gesamtbetrag auf. Stellt sich die Frage: Bemerkte die Verwaltung nach den ersten beiden Förderbescheiden selbst, dass nur die Kommune und eben nicht die Kunststiftung Drittmittel aufbringen darf und verschickte deshalb die beiden Korrekturschreiben? Möglich. Ein Hinweis an den Stadtrat blieb jedenfalls aus.
Wie genau die Förderung von Stadtumbau-Ost-Projekten in Salzwedel abgelaufen ist, bleibt vorerst offen.
Wie gestern bekannt wurde, wird sich der Landesrechnungshof genauer mit den Vorgängen beschäftigen. Am 20. Juni kommen Mitarbeiter der Behörde zu einem Eröffnungsgespräch nach Salzwedel, bestätigte Sprecher Frank Düsekow. „Bei der Prüfung werden wir uns Maßnahmen der Städtebauförderungsprogramme ansehen“, sagte Düsekow.