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Fricopan Mitarbeiter völlig überrumpelt

Die Nachricht vom Aus für das Fricopan-Werk hat die die Region völlig überraschend getroffen. Die Hoffnungen auf Erhalt sind gering.

Von Antje Mewes 07.05.2016, 01:01

Immekath l Auf den ersten Blick scheint rund um das Areal der Fricopan Back GmbH alles wie immer zu sein. Der Duft von Brötchen und Teig hängt in der Luft. Auf der Straße herrscht ein reges Kommen und Gehen. Kunden und auch die Mitarbeiter versorgen sich nach ihrer Schicht im Fabrikverkauf mit Brötchen. Innerhalb einer halben Stunde meistern vier Sattelschlepper die anspruchsvollen Fahrmanöver, um reibungslos die Einfahrt zu passieren.

Doch hier ist nichts mehr wie sonst. Seit Mittwochnachmittag hat sich die Nachricht, dass das Werk voraussichtlich geschlossen wird, wie ein Lauffeuer verbreitet und für Fassungslosigkeit und Entsetzen gesorgt.

Mit Pressevertretern möchte am Freitagnachmittag keiner der Mitarbeiter reden. Dafür redet erst einmal der Mitarbeiter der beauftragten Wachschutzfirma. Er verbietet Belästigungen jedweder Art, droht mit einer Anzeige und kündigt an, die Kameras zu aktivieren.

Betriebsratsvorsitzende Gerda Hentschel hat eine schlaflose Nacht hinter sich. Die Stimmung unter den Mitarbeitern sei total im Keller, berichtet sie. Die Nachricht von der drohenden Schließung habe alle überrascht, auch die Geschäftsführung. „Das kam von ganz oben.“

Dabei sollte in Kürze das 20-jährige Bestehen gefeiert werden, erzählt Gerda Hentschel, die selbst seit 16 Jahren bei Fricopan in Immekath arbeitet. Dass Tarifverhandlungen einer der Gründe für die potenzielle Schließung sein könnte, schließt sie aus. Diese seien Anfang des Jahres abgeschlossen worden mit einem Plus von mehr als drei Prozent für die Mitarbeiter.

Gerda Hentschel treibt die Sorge um, was aus ihren Kollegen wird. Der Altersdurchschnitt der Belegschaft sei mit 48 Jahren hoch, oft war der Job bei Fricopan der Neustart aus der Arbeitslosigkeit. Ihre Hoffnungen setzt Gerda Hentschel auf die Betriebsversammlung am kommenden Montag.

Die schlechte Nachricht überraschte am Donnerstag auch die Immekather. Den Vatertagsgästen in der Gaststätte „Zu den Linden“ war die Feierlaune verdorben. Mit Schließung hat niemand gerechnet. Gastwirt Hans-Jürgen Zeitz hatte als früherer Bürgermeister von Immekath schon die Anfangsjahre des damaligen Tiefkühlzentrums und späteren Fricopan miterlebt. Für ihn ist die geplante Schließung „ganz starker Tobak“. „Das ging rum wie ein Lauffeuer. Kommt es wirklich so, ist das bitter.“ Ganze Familien arbeiten dort. Ein junges Paar habe jetzt ein Haus bauen wollen, berichtet er. Das falle nun vielleicht ins Wasser.

„Für viele Familien geht das an die Existenz“, befürchtet Zeitz. „Immekath ist bekannt für seinen Karneval und die billigen Brötchen von Fricopan. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass damit auf einen Schlag Schluss sein soll.“ Fricopan hat einen erheblichen Teil der Gewerbesteuereinnahmen erst an Immekath, später an die Einheitsgemeinde Klötze gezahlt. Als die Firma 2013 dringend Bauland benötigte, haben sich Zeitz, die Stadt und der Kreis kurzfristig gekümmert. Letztlich ist dann doch in Eisleben gebaut worden. Dort ist eine schnelle Anbindung an die Autobahn gegeben. Zeitz: „Mit der Verkehrsanbindung wird sich hier aber in absehbarer Zeit nichts ändern.“

Bei aller Bestürzung glimmt aber noch ein Fünkchen Hoffnung: „Vielleicht ist die angekündigte Schließung nur ein Druckmittel für künftige Verhandlungen“, hoffte Zeitz. Wenn das Werk geschlossen wird, sollte die Firma Fördermittel zurückzahlen müssen. „Das muss der kleine Mann, warum nicht auch das große Unternehmen?“

Er habe am Himmelfahrtstag keine Chance gehabt, die Konzernleitung zu erreichen, sei aber schon am Nachmittag mit Ministerpräsident Reiner Haseloff in Kontakt getreten, berichtet Landrat Michael Ziche. Auch auf Landesebene sei vom Fricopan-Aus nichts bekannt gewesen. „Wir hatten null Informationen“, sagt er. Und das sei äußerst bedauerlich, denn es gab keine Chance, sich gemeinsam mit dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit darauf vorzubereiten. Die Kommunikationsstrategie sei „nicht vernünftig verlaufen“. „Wir haben uns auf die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und die VW-Krise konzentriert und nun bricht uns Fricopan weg. Ich bin sprachlos“, zeigt sich Ziche entsetzt. Die Entscheidung der Konzernleitung „scheint abschließend“. Jetzt gelte es, den Menschen, die arbeitslos werden, eine Perspektive zu geben.

„Wenn es so kommt wie beschrieben, ist das ein Schlag ins Kontor“, sagte der von der Schließungsnachricht bestürzte Klötzer Vize-Bürgermeister Christian Hinze-Riechers. „Fricopan ist schließlich ein großer Arbeitgeber und Steuerzahler.“ Er hofft, dass das Unternehmen irgendwie in der Region gehalten werden kann. „Alle beteiligten Seiten von Stadt, Altmarkkreis, Land und Fricopan sollten sich zusammensetzen, um auszuloten, was machbar ist.“

Die beabsichtigte Schließung des Immekather Werkes kommt auch für Hinze-Riechers überraschend: „Bisher gab es keine Anzeichen, dass Fricopan in wirtschaftliche Schieflage geraten ist.“ Ihm liege sehr viel daran, den Betrieb hier im Klötzer Ortsteil Immekath zu halten. „Viele Familien wären von einer Schließung betroffen. Darum muss auch überlegt werden, wie die Mitarbeiter in Arbeit gehalten oder wieder gebracht werden können und wie ihnen sonst geholfen werden kann.“ Hinze-Riechers: „Eine solche Werksschließung geht auch an uns als Stadt nicht spurlos vorbei. Wir sind in Gedanken bei den Betroffenen.“