1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. Geschäftsführer: "Ritt auf der Rasierklinge"

Altmark-Klinikum Geschäftsführer: "Ritt auf der Rasierklinge"

Am Altmark-Klinikum müssen Pflegekräfte Überstunden leisten, um den Krankenhausbetrieb aufrecht zu erhalten. Es gibt zu wenig Personal.

Von Antje Mewes 23.06.2016, 03:35

Gardelegen/Salzwedel l Knapp 6000 Überstunden hatten sich allein in der Berufsgruppe Pflege - und Funktionsdienst bis Mitte Mai im Krankenhaus Salzwedel angesammelt. Damit stehen die Mitarbeiter nicht allein da. 3,9 Millionen Überstunden, die bis zum Ende des ersten Quartals nicht durch Freizeit oder Geld ausgeglichen waren, schieben die Beschäftigten in Krankenhäusern der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor sich her, informiert die Gewerkschaft verdi.

Im Vergleich zu anderen stehe das Altmark-Klinikum noch vergleichsweise gut da, schätzt Geschäftsführer Matthias Lauterbach ein. Frei gewordene Stellen konnten nachbesetzt werden. Mit der Krankenpflegeschule sei über viele Jahre für Nachwuchs gesorgt und die Ausbildungsplätze seien aufgestockt worden.

Es gebe in den Häusern des Klinikums „nicht die hyperfrequente Belastung, aber es sind schon innovative Personalkonzepte erforderlich“, sagt der Geschäftsführer auf Anfrage der Volksstimme. Und beschreibt: „Es ist ein täglicher Ritt auf der Rasierklinge und ich kann mir was Besseres vorstellen, als den Mitarbeitern immer wieder zu sagen, es geht nicht, wenn sie frei haben wollen.“

Er forderte eine der Region angepasste Finanzierung. Das sogenannte DRG-System (diagnosebezogene Fallgruppen) gleiche nur 90 Prozent der Personalkosten aus. In der Altmark müsse auf die besonderen demografischen Prozesse reagiert werden. Das Krankenhausstrukturgesetz sei entsprechend anzupassen Die Verantwortung liege eindeutig auf Bundes- und Landesebene. Für die aktuellen Investitionen in das Klinikum in Höhe von zwei Millionen Euro waren Kredite notwendig. Sie müssten nun refinanziert werden.

Für Alke Seibt, Vorsitzende des Betriebsrates, sind die Abrechnungsmodalititäten „eine Katastrophe und Unverschämtheit“. Beispiel: Immer mehr Patienten nutzen die Notfallversorgung. Der Aufwand von Aufnahme, über Behandlung, Diagnostik wie Röntgen, Labor bis hin zur Verwaltung werde mit den Fallpauschalen nicht annähernd ausgeglichen. „Es geht nur um Rentabilität und wo bleibt der Mensch“, fragt sie. Es könne nicht sein, dass in der Etikkommission über Patientenwohl gesprochen wird. „Das muss ja wohl selbstverständlich sein“, sagt sie. „Eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten muss auskömmlich finanziert werden“, betont sie.

Wenn von vornherein klar sei, dass zehn Prozent der Pesonalkosten nicht ausgeglichen werden, sei das System falsch. Betriebswirte hätten dem Klinikum eine hohe Produktivität bescheinigt, trotzdem reichten die Erlöse nicht. „Krankenhäuser auf dem Land mit Grund- und Regelversorgung werden benachteiligt“, sagt Seibt. Zulasten der Beschäftigten, ergänzt sie und zählt auf: Ausfallzeiten können nicht berücksichtigt werden, ausreichende Personalausstattung in den Abteilungen ist nicht gegeben, Stellen werden nicht besetzt und damit die Arbeit verdichtet. „Die Geschäftsführung würde mehr Leute einstellen, aber das geht nicht.“, Seibt fordert eine 100-prozentige Finanzierung der Personalkosten auf Tarifniveau des öffentlichen Dienstes.