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Brand-SerieJugendwehrleiter schwer belastet

Wegen Brandstiftung in vier Fällen hat ein 18-jähriger Salzwedeler Feuerwehrmann in eine Jugendstrafe von zwei Jahren erhalten.

Von Fabian Laaß 24.02.2017, 00:01

Salzwedel l Es ist der Abend des 3. Oktober 2016. Erik G. (Namen geändert), seine vier 16-jährigen Freunde und Dennis F., der damalige Jugendwehrleiter der Salzwedeler Feuerwehr, sitzen an der Mönchskirche und trinken Alkohol. Nach einigen „Mischungen“ – es handelt sich um einen Mix aus Wodka und Energie-Drink – schlägt Dennis F. plötzlich vor, in die Altperverstraße zu fahren und dort ein leerstehendes Haus in Brand zu stecken.

Die Gruppe macht sich mit dem Fahrrad auf den Weg. Doch am Haus in besagter Straße sind Bewegungsmelder angebracht. Die geplante Brandstiftung fällt damit aus. Also begeben sich die sechs Mitglieder der Salzwedeler Feuerwehr auf den benachbarten Parkplatz am Chüdenwall. Dort stehen zu diesem Zeitpunkt zwei Autos. Schnell ist der Plan gefasst, diese anzuzünden. Dennis F. sagt den anderen, sie müssten Kohleanzünder auf den Vorderreifen der Pkw platzieren und diese dann entzünden. Erik G. erklärt sich bereit, den Anzünder aus der Garage von Dennis F. zu holen. Er ist auch einer der beiden Freiwilligen, die die Autos schließlich in Brand setzen wollen.

Am Ende brennt nur eines der beiden, da Erik G. den Anzünder auf den Hinterreifen legt. Das Auto bleibt unversehrt. Nach der Tat trennen sich die sechs Beteiligten. Denis F. und Erik G., der zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen zur Einsatztruppe der Salzwedeler Feuerwehr gehört, treffen sich aber nur kurze Zeit später wieder. Schließlich wurden sie alarmiert, um den Brand am Chüdenwall zu löschen.

Nur wenige Tage später, in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 2016, sitzen die gleichen sechs Personen in der Garage von Dennis F. zusammen. Wieder ist Alkohol im Spiel. Der 31-jährige Jugendwehrleiter und Gerätewart der Feuerwehr schlägt vor, „Scheiße zu bauen“. Dieses Mal ist die Neutorstraße das Ziel der Gruppe. Erik G. fährt nach Hause, um Geld zu holen. Anschließend kauft er Kohleanzünder an der SB-Tankstelle an der Ernst-Thälmann-Straße und kehrt zu seinen Freunden zurück.

Schnell ist entschieden, dass erneut Autos in Brand gesetzt werden sollen. Wieder meldet sich Erik G. gemeinsam mit einem 16-Jährigen freiwillig. Dieser zündet den Brandbeschleuniger jedoch nicht an, sondern gibt ihn Erik G. zurück. In dieser Nacht brennen fünf Autos komplett aus. Vier weitere werden stark beschädigt. Dazu brennt ein Carport nieder.

Dennis F. ist es, der den Brand meldet. Beide sind bei den Löscharbeiten dabei. Doch Erik G. ist das nicht genug. Noch in der gleichen Nacht zieht er erneut los und steckt ein Auto am Bahnhof in Brand. Wieder rückt er zu den Löscharbeiten mit aus.

Am nächsten Abend möchte der 18-Jährige erneut weitermachen, fragt per Whatts-App bei Dennis F. nach, ob er Kohleanzünder mitbringen soll. Doch dieser schreibt zurück: „Noch nicht!“

Erik G. macht sich an diesem Abend allein auf den Weg. Mit dem Fahrrad erkundet er die Stadt. Schließlich sieht er auf dem Parkplatz an einer Werkstatt an der Karl-Marx-Straße drei Autos stehen. Damit alle Pkw in Brand geraten, wählt er das Auto in der Mitte aus, platziert auf dem Vorderreifen Kohleanzünder und steckt diesen an.

Nur wenige Meter weiter will er in der Bahnhofstraße noch ein Auto anzünden. Doch er bemerkt nicht, dass sich in einem nicht weit entfernten Pkw zwei Personen aufhalten. Diese halten ihn schließlich von seinem Vorhaben ab und verständigen die Polizei. Erik G. räumt wenig später die Taten ein, trägt in der Folge dazu bei, dass auch die Mittäter gefasst werden können.

Am Donnerstag steht der junge Mann, der seit dem 23. Oktober in Untersuchungshaft sitzt, schließlich vor dem Jugendschöffengericht. Er wirkt schüchtern und zurückgezogen. „Was haben Sie denn gefühlt, als sie mit ihren Kameraden die Brände gelöscht haben, die Sie selbst gelegt hatten?“, wollte Jugendrichterin Simone Schreiber von dem 18-Jährigen wissen. Es sei sowohl ein schlechtes, als auch ein gutes Gefühl gewesen, gibt dieser an. „Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, aber das Löschen ist ein großartiges Gefühl gewesen“, erklärt Erik G. Er räumt ein, die Taten auch deshalb ausgeführt zu haben, um Anerkennung in der Gruppe und vor allem von Jugendwehrleiter Dennis F. zu erhalten.

Wie es mit ihm weitergegangen wäre, wenn er nicht geschnappt worden wäre, will die Richterin von Erik G. wissen. „Wahrscheinlich hätte ich noch weiter gemacht“, entgegnet dieser.

Ein Vertreter des Jugendamtes gibt Einblicke in das Vorleben des Angeklagten. In der Mitte der zweiten Klasse sei er auf die Lernbehindertenschule Pestalozzi gewechselt. Er leide unter anderem am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS), brauche viel Aufmerksamkeit und schließe nur schwer Freundschaften.

„Wenn er Freunde hat, dann geht er mit diesen durch dick und dünn“, sagt der Jugendamtsmitarbeiter. Die Hauptschäftigung von Erik G. sei in den vergangenen Jahren die Feuerwehrarbeit gewesen, da er mit seinem Abgangszeugnis 2014 keine Lehrstelle erhalten hatte. Zuletzt habe er sich in einer berufsbildenden Maßnahme befunden. Der Jugendamtsmitarbeiter empfiehlt, den 18-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Der Verteidiger legt noch ein Gutachten der Arbeitsagentur aus dem Jahr 2014 vor. Dieses bestätigt die Einschätzung des Jugendamtes. Erik G. besitze weit unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten. Eine einfache Facharbeiterausbildung sei erst mit erheblichen Verbesserungen in der schulischen und persönlichen Entwicklung möglich.

Der Staatsanwalt hält dem 18-Jährigen zugute, dass er umfassend ausgesagt hat sowie zuvor strafrechtlich niemals in Erscheinung getreten ist. Er hebt aber auch die besondere Schwere der Tat hervor. „Sie haben nicht nur für immensen Schaden gesorgt, sondern auch das Antlitz der Feuerwehr beschmutzt. Bekloppter geht es nicht“, so der Staatsanwalt. Er fordert eine Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Diese solle aber erst nach sechs Monaten Vorbewährung beginnen. „Das ist auch, um Sie bei Laune zu halten, damit Sie bei den Prozessen der anderen vernünftig aussagen.“

Der Verteidiger folgt dem Plädoyer des Staatsanwaltes und beantragt eine Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll.

Das Schöffengericht um Simone Schreiber verurteilt Erik G. schließlich zu zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung. „Dadurch, dass Sie allein losgezogen sind, sind wir uns nicht sicher, ob Sie es nicht doch wieder tun würden. Wir haben eher den Eindruck, dass nicht das Löschen das Tolle war, sondern, dass Sie nach Anerkennung gesucht haben“, erklärt die Jugendrichterin.

Um Erik G. aber eine Chance einzuräumen, erhält der 18-Jährige zunächst eine sechsmonatige Vorbewährung. Hält er sich in dieser Zeit an die Auflagen, wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Erik G. muss zudem an einem sozialen Trainingskurs teilnehmen. „Auf Sie kommen wahrscheinlich noch viele Zivilklagen der Versicherungen zu. Andere bauen sich für das Geld ein Haus. Sie haben nur die Schulden von rund 125 000 Euro“, so Simone Schreiber.