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Fricopan Bei Fricopan sind die Lichter aus

Zum letzten Mal haben Freitagabend 30 Mitarbeiter der letzten Schicht bei Fricopan in Immekath das Betriebsgelände verlassen.

Von Antje Mewes 26.08.2016, 17:57

Immekath l Am Zaun zum Betriebsgelände von Fricopan hängen Arbeitsschuhe. Die Beschäftigten, die am Freitag ihre letzte Schicht bei dem Backwarenhersteller arbeiteten, haben sie dort aufgehängt. Als Abschied, Protest und als Mahnung, dass in dem Werk des Schweizer Konzerns Aryzta 500 Arbeitsplätze verloren gegangen sind. „Die Stimmung war sehr gedrückt, die Leute haben Wut im Bauch“, sagte gestern Betriebsrats-Vorsitzende Gerda Hentschel. Obwohl schon seit längerem klar war, dass die Produktion eingestellt wird, sei die Endgültigkeit vielen Mitarbeitern an ihrem letzten Arbeitstag besonders deutlich geworden. Nach ihrem letzten Feierabend bei Fricopan gehen sie in eine ungewisse Zukunft. „Viele werden keine neue Arbeit bekommen“, sagte die Betriebsrats-Chefin resigniert. Die meisten seien schon älter und ortsgebunden. Etwa zehn Beschäftigte haben noch bis zum 31. Dezember Arbeit. Sie lösen Lagerbestände auf, warten die Technik und die EDV-Anlage.

Nur rund 50 der insgesamt rund 500 Fricopaner haben bereits einen neuen Job. Allerdings oft zu schlechteren Konditionen. „Ich habe von den Kollegen gehört, dass sie nur den Mindestlohn von 8,50 Euro und auch nur den Mindesturlaub bekommen“, berichtete Hentschel. Der Fricopanbetriebsrat habe einen deutlich besseren Haustarifvertrag mit Gehältern über dem Mindestlohn, Zulagen, höheren Urlaubsansprüchen erstritten, zu dem die Männer und Frauen bisher beschäftigt waren.

Sie sei erschüttert, dass die Politik das Aus nicht habe verhindern können. „Es gab keine Handhabe. Ich hoffe, dass wir ein Einzelfall waren und so etwas künftig nicht noch einmal passiert“, betonte sie im Hinblick auf die Kritik an der Investitionsförderpraxis des Landes, dass die Erweiterung eines Tiefkühl-Backwarenwerks von Aryzta in Eisleben mit fünf Millionen Euro unterstützt hat. Der Ausbau des Standortes in Immekath war in den 2000er Jahren mit Fördergeld in Höhe von 13 Millionen Euro bedacht worden. Die Bindungsfrist dafür war am 31. Dezember 2015 ausgelaufen.

Wie es mit dem Werksgelände weiter geht, ist noch offen, wie eine Anfrage an Landes-Wirtschaftsminister Jörg Felg-ner (SPD) ergab. „Das Land hat großes Interesse an einer guten Lösung für den Fricopan-Standort in Immekath und für die Beschäftigten. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Aryzta und mehreren potenziellen Investoren – hierzu ist Stillschweigen vereinbart worden, um die Verhandlungen nicht zu gefährden“, erklärte er. Sein Ministerium und die Investitions- und Marketinggesellschaft mbH (IMG) „bleiben hier weiter am Ball – wir unterstützen den Investorenprozess im Rahmen unserer Möglichkeiten“. Klar sei aber auch: „Das Heft des Handelns liegt derzeit bei Aryzta als Eigentümerin des Standorts.“

Für den langjährigen Betriebsrats-Vorsitzenden und jetzigen Landtagsabgeordneten Andreas Höppner (Die Linke) ist „eine Ära zuende gegangen“. 17 Jahre hatte er bei Fricopan gearbeitet. „Das tut weh und geht richtig rein“, sagte er. Er sei stolz darauf, „dass die Truppe bis zuletzt zusammengestanden hat“. Der Betriebsrat habe einen für die Branche guten Sozialplan mit annehmbaren Abfindungen ausgehandelt. Für die nun arbeitslosen Fricopaner befürchtet er schwierige Zeiten. Selbst wenn sie wieder Arbeit finden, sei es ein Neuanfang mit Probezeit, eventuell geringeren Löhnen oder befristeten Verträgen. Gerda Hentschel und er wollen den ehemaligen Mitarbeitern weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Höppner: „Sie können sich jederzeit an uns wenden.“ Am Mittwoch wollen sich alle vor dem Hausverkauf zur „Abschiedsparty“ treffen.