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Mord und Totschlag Brudermord im Familienhof

„Mord und Totschlag ‑ historische Kriminalfälle in Salzwedel“ heißt die neue Serie der Volksstimme.

Von Marco Heide 29.08.2016, 03:00

Salzwedel l Wir schreiben den 12. November 1583. Bernhard von der Schulenburg feiert mit seinen Brüdern und Schwagern in der Schmiedestraße ‑ vermutlich an der Stelle, an der sich heute der Familienhof befindet, eine Nachhochzeit. Mit dabei sein älterer Bruder und damaliges Familienoberhaupt in Salzwedel Albrecht. Bernhard fand bei der Feier kein Maß. Zwischen 17 und 18 Uhr lag er volltrunken mit dem Kopf auf dem Tisch, heißt es in den Aufzeichnungen. Albrecht der IV. forderte seinen Bruder auf, nach Hause zu gehen. Beide gerieten in Streit. Plötzlich zückte Bernhard seinen Dolch und rammte diesen seinem Bruder in Leib.

Offenbar geschockt von seiner Tat, eilte der jüngere zu seiner Wohnung in der Propstei am heutigen Danneilmuseum und ließ nach Chirurgen rufen. Die Ärzte kamen einstimmig zu der Erkenntnis, dass Albrechts Verletzungen lebensgefährlich seien. Die Frau des Verletzten kam gerade noch rechtzeitig aus Dambeck an das Bett ihres sterbenden Gatten. Erst wollten die Angehörigen der Gemahlin verschweigen, wer ihren Mann so zugerichtet hatte. Doch dann sagte der Sterbende laut Überlieferungen: „Berndt hat mich also gestochen“, und fügte hinzu: „Berndt, Berndt du tust Übel an mir und meinen Kindern.“

Die letzten Worte Albrechts sind ebenfalls überliefert. Stadtarchivar Steffen Langusch vermutet allerdings, dass diese aus der Leichenpredigt stammen und dem Zeitgeist entsprechend geschönt sind.

Dem gerufenen Superintendenten Cuno solle er gesagt haben, dass er seinem Mörder vergebe und zum Abschied aus der Welt bereit sei. Zu seiner Frau sagte er: „Mein liebes Weib, gern wollte ich wohl länger bei dir bleiben, wenn es Gottes Wille wäre, weil es aber nicht sein kann, so gib dich zufrieden, du wirst mich nicht verlieren, sondern nur voranschicken, du wirst mir bald folgen.“ Eine bequemere Liegeposition oder Wasser soll er abgelehnt haben. „Haltet mich nicht auf, denn ich bin bereit, wenn der Herr kommt, in Frieden zu scheiden.“ Zwischen 3 und 4 Uhr nachts starb Albrecht IV. von der Schulenburg. Am 22. November wurde er in der Klosterkirche Dambeck beerdigt.

Während sein Bruder im Sterben lag, schlief Bernhard in aller Seelenruhe seinen Rausch aus. Erst am nächsten Tag erfuhr er, dass er seinen eigenen Bruder getötet hatte. Seine Angehörigen drängten ihn sofort zur Flucht. Fünf Jahre zog er im Ausland von Ort zu Ort. Seine Tat traf ihn aber nicht nur deshalb schwer. Er war mit seinem 22 Jahre älteren Bruder eng verbunden, da dieser nach dem frühen Tod des Vaters dessen Rolle übernommen hatte.

Wirklich zur Rechenschaft für den Totschlag an seinem Bruder wurde Bernhard von der Schulenburg nie gezogen. Sowohl der Täter als auch die Witwe und Söhne Albrechts wandten sich an einen Professor Dauth in Wittenberg und fragten diesen um Rat, was zu tun sei. Die nahen Verwandten waren nicht auf Rache aus. Vermittlungen, bei denen sich auch der Kurfürst einschaltete, zwischen Bernhard und des Onkels, scheiterten dennoch. Der Täter beteuerte, von der Tat nichts mehr zu wissen. Professor Dauth sollte dies prüfen, erhielt den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen und kam zu dem Ergebnis: „Wer nach einer so grässlichen Tat noch ruhig schlafen kann, muss entweder unschuldig oder wegen Geistesabwesenheit seiner nicht bewusst sein.“

Nach fünf Jahren im Ausland durfte Bernhard wieder Salzwedel betreten. Er zog aber nach Brandenburg. Es dauerte noch bis zum 2. August 1592, bis die Angelegenheit auch gerichtlich komplett ausgestanden war. Unter Vermittlung des Kurfürsten kam ein Vergleich zustande. 1500 Reichstaler musste Bernhard an Albrechts Familie zahlen. Eine Magd verdiente zu dieser Zeit ungefähr 25 Reichstaler pro Jahr. Außerdem musste sich Bernhard verpflichten, nicht in die Altmark zu ziehen. Sollte er dienstlich in der Region zu tun haben, sollte er seinen Vettern nicht unter die Augen treten. Das alles sollte dazu dienen, neuen Streit zu verhindern.