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Mord und Totschlag Rotarmist erschießt jungen Salzwedeler

Zwei flüchtige Sowjetsoldaten erschossen 1967 in der Flora den 25-jährigen Kurt Schwerin und verletzten den Wirt schwer.

28.04.2017, 01:00

Salzwedel (vs) l Offiziell gab es keine Meldung von der schrecklichen Tat, die am Vorweihnachtstag 1967 in der Flora einem jungen Salzwedeler das Leben kostete. Lediglich eine Todesanzeige in der Volksstimme erinnerte wenige Tage später an den Tod Kurt Schwerins.

Die Freie Universität Berlin beschäftigte sich im Rahmen eines Forschungsprojektes mit den Ereignissen rund um die Flucht zweier Rotarmisten, die zur 47. Panzerdivision in Hillersleben gehörten. Untersergeant Wladimir K. und Walerie Wladimirowitsch D. desertierten am 22. Dezember gegen 3 Uhr. Mit einem Geländewagen, der mit Pistolen, einem Maschinengewehr und einer Kiste Munition ausgestattet war, starteten sie ihre Flucht. Noch auf dem Kasernengelände erschossen die beiden 21-Jährigen einen Leutnant.

Als das Fluchtfahrzeug in Salzwedel entdeckt wurde, waren Polizei und Grenztruppen sofort in Alarmbereitschaft und fahndeten akribisch nach den Flüchtigen. Auch die Bevölkerung bezogen die Sicherheitsorgane in ihre Bemühungen mit ein.

Als sich am 23. Dezember gegen 21 Uhr zwei augenscheinlich russische Zivilisten beim Postangestellten Kurt B. nach einer Gaststätte erkundigten, schickte dieser die Männer zur Flora und kontaktierte sofort die Polizei. Zwei Vopos und ein Offizier der Roten Armee fuhren zur Flora, heißt es in der Arbeit der Freien Universität.

Am Vorweihnachtsabend sei in der Vereinskneipe nicht viel los gewesen. Nur eine Hand voll Gäste verirrte sich dort hin. Unter ihnen war der ledige Maurer Kurt Schwerin, der als Rausschmeißer in der Flora arbeitete.

Als nach den Deserteuren die Polizisten und der Sowjetoffizier das Lokal betraten, begann sofort eine Schießerei. Einer der Flüchtigen türmte durch den Hinterausgang, während der andere um sich feuerte und dabei dem Oberleutnant einen Brustdurchschuss verpasste. Außerdem brach der Flora-Wirt Meinecke zusammen, den eine Kugel im Becken traf.

Nach dem Schusswechsel ergriff auch der zweite Rotarmist die Flucht. Dazu musste er aber durch den Versammlungssaal. Kurt Schwerin verfolgte den Schützen bis in den dunklen Raum. Dort feuerte der Sowjetsoldaten ein letztes Mal. Die Kugel traf Schwerin in den Kopf. Der junge Mann war sofort tot.

Die Flüchtigen hielten sich noch bis zum Mittag des 25. Dezember versteckt. Dann stellten Sicherheitskräfte Wladimir K. und Walerie Wladimirowitsch D. in einer Scheune im Salzwedeler Ortsteil Klein Gartz, ohne dass erneut Schüsse fielen.

Kurt Schwerin wäre am ersten Weihnachtsfeiertag 26 Jahre alt geworden. Doch der junge Mann, der selbst wegen eines Republikfluchtversuchs und Körperverletzung vorbestraft war, verlor sein Leben, weil er der Polizei helfen wollte, zwei Mörder zu schnappen.

Weitere Arbeiten des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin finden Sie unter www.fu-berlin.de/sites/fsed/index.html