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Notaufnahme Verbale Attacken keine Seltenheit

Schwestern und Ärzte in der Notaufnahme des Altmark-Klinikums Salzwedel werden immer öfter beschimpft.

02.07.2017, 01:00

Salzwedel l In manchen Momenten geht es in der Notaufnahme des Salzwedeler Krankenhauses tatsächlich so zu wie in den einschlägigen Fernsehserien. Mit Blaulicht fährt der Rettungswagen vor, eilig wird der gebrachte Patient in einen Behandlungsraum transportiert. Auf dem Flur steht ein Bett, in dem ein Mann liegt, der laut stöhnt. Trösten will ihn sein Begleiter, der schließlich aufgeregt in Richtung Personal gestikuliert. Eine ältere Frau sitzt unweit des Eingangsbereiches mit schmerzverzogenem Gesicht auf einem Stuhl, Krücken in der Hand, ihr Mann hält ihre Tasche und im Aufenthaltsbereich warten ebenfalls mehr oder weniger geduldige Leute. Dazwischen hasten die Ärzte, Pfleger und Schwestern von einem zum anderen. Kein Job für schwache Nerven.

Diese Situation erlebt die Volksstimme-Redakteurin bei einem Besuch in der Notaufnahme. An ein Gespräch mit den Mitarbeitern ist zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht zu denken. Nach mehreren Anläufen findet sich eine Gelegenheit. „Die Notaufnahme wird leider zunehmend als Hausarztersatz missbraucht“, sagt der leitende Oberarzt Dr. Klaus Wiechmann. Bis zu 40 Patienten in einer Schicht, gerade am Wochenende oder im Spätdienst, seien inzwischen Normalität, berichtet die Pflegedienstleiterin der Notaufnahme, Karin Rietzschel. An Feiertagen wie Silvester können es noch mehr sein.

Das führt dazu, dass Patienten, die offensichtlich keine schwere oder plötzlich aufgetretene Erkrankung in die Einrichtung geführt hat, lange Wartezeiten einkalkulieren müssen. Denn lebensgefährlich oder schwer Verletzten beziehungsweise Erkrankten wird logischerweise vorrangig die Aufmerksamkeit des Personals zuteil. Und obwohl ein großes Schild im Warteraum darauf hinweist, dass es eben nicht der Reihenfolge nach geht, sondern die Mitarbeiter darüber entscheiden, will das nicht jeder Patient wahrhaben. Verbale Attacken auf die Schwestern und Pfleger sind keine Seltenheit. „Bei mitunter vier Stunden Wartezeit wird der Ton dann rauer“, berichtet die Pflegedienstleiterin. Wenn die Emotionen hochkochen, hätten sich manche Menschen nicht mehr in Griff und würden ausfallend.

„Einigen fehlt einfach der Respekt vor den Pflegekräften und ihrer wertvollen Arbeit“, betont der Oberarzt. Er habe zudem eine Anspruchshaltung festgestellt, die es vor Jahren nicht gegeben hat, sagt Dr. Wiechmann. Eine multiorganisierte Gesellschaft, in der die meisten Menschen ständig unter Zeitdruck stehen, mache es zunehmend schwer zu warten. Dennoch sollte soviel Verständnis vorhanden sein, dass anerkannt werde, was in der Notaufnahme geleistet wird.

Zudem könnte sich die ganze Situation entspannen, wenn Patienten mit leichten Erkrankungen ihren Hausarzt oder dessen Vertretung aufsuchen. Für das Wochenende und die Nachtstunden ist das der hausärztliche Notdienst. Er wünsche sich, dass dieser am oder in der Nähe des Krankenhauses einen räumlich entsprechend ausgestatteten Anlaufpunkt bekommt. Dann könnte ein Teil der Patienten dahin verwiesen werden, was den enormen Arbeitsdruck in der Notaufnahme verringern würde, erklärt Dr. Wiechmann.

Wer mit Erkältung oder ähnlichem die Notaufnahme in Anspruch nehme, könne Schwerkranke beispielsweise mit Herzinfarkt oder Schlaganfall gefährden. Denn das Personal, dessen Besetzung auf Notfälle ausgelegt ist, sei dann für diese leichten Fälle gebunden.

Auch zu tätlichen Angriffen auf Ärzte und Pflegekräfte ist es bereits gekommen. Diese Übergriffe gingen aber fast immer von alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Personen aus. Mit Schulungen und Deeskalationstraining werden die Mitarbeiter darauf vorbereitet. Dennoch: „Wenn man in der Nacht mit so einem Patienten allein auf der Station ist, kann die Zeit, bis die Polizei kommt, lang werden“, beschreibt der Oberarzt.

Auch beim Rettungsdienst hat sich „das Bild verändert“, wie der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Salzwedel, René Scheffer, erklärt. „Wir haben jetzt viele Nationalitäten mit unterschiedlichen Erfahrungen“, sagt er. Damit könne das geschulte Personal gut umgehen. Menschen seien nun mal nicht in Schablonen zu stecken. Gerade nicht in Ausnahmezuständen, wie bei Unfällen oder in Notlagen, betont der DRK-Chef.

Die Rettungsassistenten haben allerdings ebenfalls festgestellt, dass der Umgangston allgemein ruppiger geworden ist. Sehr zu schaffen machen ihnen Leute, die aus Sensationslust die Retter behindern, stören, beschimpfen oder gar anrempeln, um Fotos oder Videos von Unfällen zu erhaschen. Die Rettungsdienstler und Notärzte wünschen sich mehr Achtung vor ihrer Arbeit. Steffen Heidler, Leiter des Rettungsdienstes beim DRK-Kreisverband, fordert für Gaffer härtere Konsequenzen. Alle, die Retter in irgendeiner Form behindern, gefährdeten Leben.

Tätliche Übergriffe kommen vor, seien aber in der ländlichen Altmark eher die Ausnahme, berichtet Heidler. „Das ist in der Großstadt weitaus schlimmer“, sagt der Rettungsdienstleiter. Die Rettungsassistenten wissen, wie sie deeskalierend einwirken können. Oft spiele in solchen Fällen Alkohol- oder Drogenkonsum eine Rolle. Bei Streitigkeiten im familiären Bereich oder bei bestimmten Behandlungen wie Reanimation komme es hin und wieder zu Kontrollverlusten bei Angehörigen und zu brenzligen Situationen für die Rettungsassistenten oder Notärzte. Prinzipiell sei das aber kein Problem. Der neue Beruf des Notfallsanitäters beinhalte in der Ausbildung bereits den Umgang mit Randgruppen und aggressiven Patienten.