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Rück- und Ausblick Aufbauarbeit hat Spaß gemacht

Christiane Lüdemann sagt im Interview tschüss als Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Beetzendorf-Diesdorf.

Von Anke Pelczarski 23.12.2016, 11:10

Wie haben Sie die sieben Jahre als Bürgermeisterin in der im Jahr 2010 gegründeten Verbandsgemeinde empfunden?

Christiane Lüdemann: Die Zeit ist rasend schnell vergangen. Ich habe vor sieben Jahren für das Amt kandidiert, weil ich den Aufbau der Verbandsgemeinde mitgestalten wollte. Aber der Job als Bürgermeisterin war eine andere Arbeit als vorher als Verwaltungsleiterin.

Was ist der Unterschied?

Plötzlich war ich als Politikerin gefragt. Das hatte ich vorher nicht so eingeschätzt. Mit einigen Entscheidungen als Bürgermeisterin geriet ich in die Kritik, habe mich am Anfang sehr oft persönlich angegriffen gefühlt. Ich musste erst lernen, damit umzugehen. Das kann ich jetzt. Die Erfahrungen möchte ich nicht missen.

Aber das Amt war auch ganz schön zeitintensiv...

Anstrengend war, dass ich fast rund um die Uhr zur Verfügung stehen musste. Abends gab es viele öffentliche und nichtöffentliche Termine. Aber auch an den Wochenenden fanden Veranstaltungen statt, wo meine Anwesenheit gewünscht war. Da muss man absolut durchorganisiert sein, sonst bekommt man Job und Familie nicht auf die Reihe. Rückblickend war es eine gute, anspruchsvolle Zeit, in der ich sehr viel gelernt, aber auch ein, zwei Mal an mir gezweifelt habe. Doch das gehört eben auch dazu.

Wie sehen Sie heute das Modell Verbandsgemeinde, das es nur einmal im Altmarkkreis gibt?

Es war die richtige Entscheidung, weil so die einzelnen Gemeinden noch selbstständig sind. Die Aufbauarbeit hat mir viel Spaß gemacht, auch wenn es nicht einfach war, 30 Gemeinden zusammenzufügen.

Was waren für Sie die Höhepunkte in den sieben Jahren?

Jubiläen, besondere Anlässe mit Ehrungen: Der Kontakt vor Ort war mir wichtig. Wenn ich Veranstaltungen mit einem Grußwort bereichern durfte, war das eine gute Sache. Aber auch die Fahrzeugübergaben an die Feuerwehren und wenn in den Kitas etwas Neues geschaffen wurde. Die Einweihung der Kita Apenburg beispielsweise, deren Bau wir gemeinsam mit der Gemeinde finanziert haben, ist in Erinnerung geblieben. Aber auch der Neubau der Kita in Wallstawe. Zur Aufnahme eines Kredites in Höhe von einer Million Euro musste sich der Verbandsgemeinderat erst einmal entschließen. Das war ein schwieriges Unterfangen.

Und auch die Bedingungen für die Verwaltung haben sich verbessert...

Wir sind sehr dankbar, dass die Gemeinde Beetzendorf das Verwaltungsgebäude modernisieren lassen hat. Auch wenn das Arbeiten während der Bauphase von 2011 bis 2013 nicht ganz einfach war. Für viele Mitarbeiter ist es so ein schöneres Arbeiten. Andere Verwaltungen bestaunen das Haus, das wir in Beetzendorf nutzen dürfen.

Bei welchem Thema hat es die meisten Diskussionen gegeben?

Generell war das der Haushalt. Die Verbandsgemeinde hat Pflichtaufgaben zu erfüllen, die mit großen Erwartungen verbunden sind und einem abzuarbeitenden Investitionsstau. Ursprünglich hat der Rat aus langen Listen entscheiden können, was gemacht werden soll. Doch das kostete viel Zeit. Vor zwei Jahren haben wir eingeführt, dass die Verwaltung eine Vorentscheidung trifft. Für die Bereiche wie Feuerwehren und Kindertagesstätten sind Budgets festgelegt, in deren Rahmen sich die Ausgaben bewegen dürfen. Diesen Schnitt hätten wir schon eher machen sollen.

Wie schätzen Sie die Arbeit mit den Ausschüssen und Fraktionen ein?

Vor jeder Verbandsgemeinde-Ratssitzung beraten wir die Inhalte mit den Fraktions- und Ausschussvorsitzenden. Ich hatte die Hoffnung, dass das Besprochene an die anderen Mitglieder weitergegeben wird. Doch das lief nicht immer so. Dadurch gab es im Rat mitunter Diskussionen über Fragen, die eigentlich schon geklärt waren und die ich so nicht erwartet hatte. Ich mag es nicht, wenn ich nicht vorbereitet bin.

Kindertagesstätten, Grundschulen und Feuerwehren unterm Dach der Verbandsgemeinde – das war Neuland. Wie hat es funktioniert?

Die organisatorische Arbeit hat uns voran gebracht. Bei den Kindereinrichtungen haben wir vom Projekt Kita mobil profitiert, das dazu führte, das Konkurrenzdenken hinter sich zu lassen und stattdessen gemeinsam das Angebot voranzubringen. Wir haben Pools gebildet, die Arbeitsweise angepasst, den Personalaustausch im Krankheits- und Urlaubsfall auf die Kitas delegiert. Im Bereich der Feuerwehren hat sich die Struktur mit einem VG-Wehrleiter und einem Stellvertreter aus jeder Gemeinde bewährt. Wir sind darauf angewiesen, dass diese die Informationen in die Ortswehren weiter tragen. Da gibt es manchmal noch Verbesserungsbedarf. Bei Grundschulen sind wir nur Träger der Einrichtungen. Für die Horte sind wir wieder inhaltlich zuständig.

Aber das Thema Grundschulen spielte zuletzt doch eine große Rolle...

Wir sind froh, dass jetzt die Lösung gefunden ist, dass die Beetzendorfer Grundschüler während der Bauphase im nächsten Schuljahr in Kunrau lernen können. Dieser Entscheidung sind viele Gespräche mit Elternvertretern, Lehrern und der Einheitsgemeinde Klötze vorausgegangen. Unsere Nachbarn haben uns optimal unterstützt. Es war eine anstrengende Zeit, aber mit einem guten Ergebnis. Und auch der Aula-Anbau an die Diesdorfer Grundschule wird den Rat weiter beschäftigen: Der Sozialausschuss will sich mit diesem Wunsch befassen.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit den Verbandsgemeinde-Räten?

Der Eine ist sehr engagiert, der Andere eher zurückhaltend. Ich habe dennoch versucht, alle mit einzubeziehen. Durch die Wahl vor zwei Jahren sind neue Mitglieder hinzugekommen, die sich gut integriert haben. Ich halte die Diskussion über Sachthemen für wichtig und notwendig. Die Debatte muss aber konstruktiv und fair sein. Ich bin immer mit Respekt in die Sitzungen gegangen, weil oft etwas auf den Tisch kam, womit man nicht gerechnet hat.

Wie schätzen Sie die Arbeit der Verwaltung ein?

Wir haben derzeit in der Verwaltung und im Kita-Bereich einen Generationswechsel. Man muss mit jungen Leuten anders rechnen, denn diese wollen eine Familie gründen. Da gilt es, flexibler mit dem Personal zu planen. Wir haben aber noch Reserven, damit Ausfälle kompensiert werden können. Die jungen Mitarbeiter sind schneller auf ihrem Weg, aber die alten kennen eine Abkürzung, sagt man landläufig. Wichtig ist, dass sie sich gegenseitig respektieren. Wenn man die Vorzüge abwägt, kann man viel miteinander erreichen. Ein Vorteil war, dass ich mich im Haus auf alle meine Mitarbeiter verlassen konnte.

Sie haben seit der Wende in der Verwaltung gearbeitet. Was werden Sie am meisten vermissen?

In den Wirren der Wende, genau am 1. März 1989, habe ich in der Kommunalpolitik angefangen und im Gemeindebüro Ellenberg gearbeitet. 1991 kam ich nach Dähre, 1993 nach Diesdorf, 2005 nach Beetzendorf und wurde Verwaltungsleiterin. Immer wieder durfte ich Aufbauarbeit mitleisten, weil verschiedene Reformen umgesetzt werden mussten. Das hat Spaß gemacht. Ich bin immer gern zur Arbeit gekommen. Vermissen werde ich mein Team, die Amts- leiter-Beratungen, die Sitzungen mit der Feuerwehr-Leitung sowie die Kita- und Hortleiterinnen-Beratungen. Und vor allem meine Stellvertreterin Eva-Maria Benecke, auf die ich mich immer verlassen konnte.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Ich wünsche Michael Olms, dass er immer ruhig und sachlich bleibt und fast immer auf die Verwaltung hört, so habe ich es bei meiner Verabschiedung im Verbandsgemeinderat formuliert. Gesetzliche Regelungen oder Fördermittelanträge werden immer komplizierter. Da haben die Fachleute das notwendige Wissen, um keinen Fehler zu machen. Als erfahrener Feuerwehrmann wird er in diesem Bereich sicher gut mit den Kameraden vor Ort zusammenarbeiten. Auch im Kita-Bereich wünsche ich ihm ein glückliches Händchen im Interesse der Familien. Wir haben Elternvertreter, die kritischer geworden sind, da kommt es darauf an, ein offenes Ohr zu haben, vieles zu erklären und zu begründen und letztlich einen guten Konsens zu finden. Diese Aufgabe kann erfolgreich sein. Zudem ist die Kooperation mit den Mitgliedsgemeinden wichtig. Alles in allem wünsche ich Michael Olms viel Erfolg: Er wird seinen Weg finden, da bin ich mir sicher.

Sie haben selbst entschieden, nicht erneut für das Amt als Bürgermeisterin zu kandidieren. Wie kam es dazu?

Ich habe darüber nachgedacht, ob ich dieses Amt nochmal sieben Jahre ausüben will oder ob ich nicht noch einmal etwas gänzlich Neues probieren sollte. Mein Wunsch war es immer, Lehrerin zu werden. Doch das ging früher aus gesundheitlichen Gründen nicht. Während meiner Zeit in der Verwaltung habe ich alle nötigen Qualifikationen und die Ausbildung zum Ausbilder gemacht. Ich werde am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Sachsen-Anhalt als Dozentin arbeiten, Fachkräfte für Kommunen mitausbilden. Im Moment ist Arbeitsrecht im Gespräch, aber auch Kommunal- und Ordnungsrecht liegen mir. Ich freue mich auf die neue Herausforderung.

Aber in der Region wollen Sie sich weiter engagieren...

Ich werde weiter als stellvertretende Vorsitzende der Lokalen Aktionsgruppe Mittlere Altmark arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, Leader-Projekte zu begleiten, die in der Region umgesetzt werden. Das ist eine spannende Aufgabe. In der Regionalversammlung der Regionalen Planungsgemeinschaft Altmark werde ich weiter tätig sein. Auch im Hauptausschuss der Agentur für Arbeit Stendal vertrete ich weiter die kommunalen Körperschaften.

Haben Sie Hobbys, denen Sie jetzt verstärkt nachgehen können?

In erster Linie meine Enkelkinder. In jüngster Zeit hatte ich schon Not, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ich hoffe, dass dies ab 13. Januar, wenn ich das Amt abgegeben habe, leichter wird. Im Haus und im Garten möchte ich gern etwas verändern. Und dann ist es auch mal schön, morgens aufzustehen und beim Kaffeetrinken zu überlegen, worauf man Lust hat an diesem Tag. Über das Leben selbst zu entscheiden und nicht gehetzt zu sein, darauf freue ich mich schon sehr. Ich bin ja im Ruhestand!?