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Forsthaus Ein Leben in der Fuchshütte

„Wohnen an ungewöhnlichen Orten“: Christa Fritsche aus Beetzendorf ist in der Fuchshütte zu Hause.

Von Anke Pelczarski 01.07.2016, 03:00

Beetzendorf l „Christa‘s Fuchshütte“ ist über der Eingangstür zum altehrwürdigen Fachwerkhaus mitten im Grünen zu lesen. Das Schild hat sie sich zu ihrem 80. machen lassen, erzählt Christa Fritsche, die heute 87 Lenze zählt. Und das Bildnis vom Fuchs sowie der Schriftzug „Hütte“ seien etwa 40 Jahre alt. Das habe ihr Mann gemalt, der viel zu früh verstorben sei, schildert sie mit Wehmut in der Stimme.

Der Name kommt nicht von ungefähr. „Hier gibt es unglaublich viele Fuchsbaue“, schildert die gebürtige Osterburgerin. Kein Wunder, ist das Areal doch umringt von Feldern und Wäldern. Da fühlen sich Tiere jeder Art wohl. „Hier ist es jeden Tag wie Urlaub“, merkt sie verschmitzt an.

Das Beobachten der Tiere gehöre zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Da sind die Spechte, die sich gegenseitig füttern. Dort die Mäuse, die sich ebenfalls hier wohl fühlen. Und auch einen Raubvogel habe sie in diesen Tagen entdeckt. „Ich muss aber noch nachschauen, welcher es war“, entschuldigt sie sich beim Gespräch auf der Terrasse. Hornissen haben hier ihr Nest gebaut. Und Bremsen sind auf Nahrungssuche.

Das Haus sei um 1850 gebaut worden, weiß die heutige Eigentümerin. Ein Förster habe es gebaut. Danach sei es immer in der Familie geblieben: Entweder sei der Sohn Förster geworden oder die Tochter habe einen Förster geheiratet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Flüchtlinge einquartiert gewesen, mit vielen Kindern. „Für sie war es hier ideal“, berichtet die Beetzendorferin.

Ihr Mann, ebenfalls ein Förster, habe später die Oberförsterei Beetzendorf übernommen. Dadurch sei ihre Familie in die „Fuchshütte“ eingezogen. „Es gab damals kein Licht und kein Wasser“, erinnert sie sich. Doch die Umgebung sei dennoch traumhaft gewesen.

Sie selbst habe eine Hauswirtschaftslehre absolviert, Wirtschaftsleiter Schule gelernt und sich später in einem Fernstudium zum Unterstufenlehrer qualifiziert. Die Arbeit mit den Kindern sei für sie sehr erfüllend gewesen. „Hier in der Fuchshütte waren viele Schüler zu Gast. Sie konnten die Natur pur erleben, Tiere beobachten, mal im Heu schlafen“, schildert die 87-Jährige.

Früher seien oft auch Familien mit ihrem Nachwuchs am Wochenende durch den Beetzendorfer Bruch gewandert, der unter Naturschutz steht. „Heute sieht man leider kaum noch jemanden. Die Leute haben einfach keine Zeit mehr“, bedauert sie.

Das idyllisch gelegene Anwesen hat Christa Fritsche nach der Wende übrigens von der Treuhand erworben. „Die Fuchshütte ist für mich gleichbedeutend mit Freiheit. Hier gibt es keinen Nachbarn“, sagt sie bestimmt. Mittlerweile habe sie viel investiert, um das Innere zu modernisieren. „Viele Leute haben schon nachgefragt, ob sie das Haus kaufen können. Ich habe ihnen allen Absagen erteilt“, fügt die Beetzendorferin hinzu.

Die Ecke, in der sie lebe, sei noch einigermaßen gesund. Davon zeuge die üppige Artenvielfalt der Tiere. „Und die Luft ist gut“, sagt die 87-Jährige, die bequem in ihrem Stuhl sitzt und tief durchatmet.

Beim Blick über den Hof ist die Wetterfahne nicht zu übersehen. Auf dieser, wie könnte es anders sein, dreht sich ein Fuchs im Wind. „Mein Sohn hat ihn zu meinem 60. anfertigen lassen“, weiß sie noch genau. Am Vorgänger, den der alte Herr Thielecke einst aufs Dach gebracht hatte, habe der Zahn der Zeit genagt.

Ein weiterer Zeitzeuge steht neben dem Haus: das Stammfragment einer Linde. „Die ist gepflanzt worden, als das Haus gebaut wurde. Vor etwa 15 Jahren ist die Krone abgebrochen“, schildert die einstige Lehrerin, die heute noch als Märchenerzählerin nicht nur bei Kindern für viel Freude sorgt und in der Beetzendorfer Schauspielgruppe aktiv ist. Einen Auftritt gibt es übrigens am Sonnabend, 2. Juli, ab 14 Uhr im Beetzendorfer Parksaal. Dann wird auch Christa Fritsche mit dabei sein.

In ihrer „Fuchshütte“ übt sie fleißig den Text. Dabei wird sie von unzähligen Reineckes beobachtet: als Plüschtiere, als Bilder, aus Keramik und weitere. „Einen Großteil habe ich geschenkt bekommen“, erzählt sie. Denn der Name ihrer Wohnstätte lade regelrecht dazu ein, auf diesen Gedanken zu kommen.

In einem anderen Raum sind Bilder von Osterburger Kirchen zu entdecken. „Eine Erinnerung an meinen Geburtsort“, sagt die 87-Jährige. Doch auch die westliche Altmark sei schön. „Und vor allem meine Fuchshütte“, schwärmt sie. Hier, so hofft Christa Fritsche, wolle sie noch viele Jahre leben. Auch wenn die Vögel schon frühmorgens zwitschern und die Nachtruhe beenden: Etwas Schöneres kann sie sich nicht vorstellen.