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Sommerserie Verliebt in die Dorfschule

Die Lehrer Gisela und Dietrich Bode sind glücklich in einer einstigen Schule in Abbendorf nahe Diesdorf.

Von Anke Pelczarski 29.07.2016, 03:00

Abbendorf l „In dieser Seite war früher der Klassenraum untergebracht. Da habe ich fast 40 Schüler der ersten bis vierten Klasse gleichzeitig unterrichtet“, erzählt Gisela Bode während des Rundganges. Im August 1964 habe sie die Stelle als Schulleiterin bekommen. Da sei sie gerade 22 gewesen, blickt sie zurück und fügt verschmitzt hinzu: „Die damalige Abteilung Volksbildung war froh, dass ein Lehrerehepaar her kommt.“ Denn ihr Mann Dietrich hatte ebenfalls diesen Beruf gewählt.

Bevor sie die Stelle antrat, habe sie sich mit ihrem Vater heimlich in Abbendorf umgesehen. „Wir sind mit der Awo von Lagendorf hier her gefahren“, erinnert sich Gisela Bode. Das Haus sei sofort aufgefallen: weil die unteren Fensterscheiben angemalt waren, damit keiner durchsehen konnte. Mit ihrem Vater sei sie an der Schule entlang geschlichen. Er habe bei der Stippvisite festgestellt, dass es ein solides Haus sei, umgeben von leichtem Sandboden und ohne Wasseranschluss. Und er sollte recht behalten.

Ihr Vorgänger, Lehrer Pollehn, sei krank gewesen und bald ausgezogen. Junglehrer Frank Proksch, der unterm Giebel lebte, musste zur Armee. Danach bewohnten die Bodes das Haus, das der damaligen Gemeinde Abbendorf gehörte, allein.

„Bei meiner Ausbildung hieß es, dass der Mehrstufenunterricht abgeschafft und deshalb nicht mehr gelehrt werde“, erinnert sich die heute 73-Jährige. Doch in Abbendorf war das noch nicht so. „Ich habe mich durchgebissen“, sagt Gisela Bode. Tipps, wie der Stundenplan zu bauen sei, habe sie sich von ihrem Vorgänger geholt. Die Erstklässler hatten nicht so viel Stunden wie die Größeren. Das musste berücksichtigt werden. „Die Kunst war es, die Kinder aus drei Klassenstufen still zu beschäftigen, damit ich mit der vierten aktiv arbeiten konnte“, beschreibt Gisela Bode, die bis 2006 Lehrerin mit Leib und Seele war.

Am schlimmsten sei es gewesen, als sie mal ihre Stimme verloren habe. „Mit Kreide habe ich an die Tafel geschrieben, dass ich nicht sprechen kann und Aufgaben verteilt. Dann durften die Kinder nach Hause gehen. Auch das schrieb ich an“, erzählt sie und muss heute noch schmunzeln. Die Kinder freuten sich natürlich riesig. Das mit dem Gehen sei übrigens wörtlich zu verstehen. Schließlich kamen die Grundschüler nur aus Abbendorf und Hohenböddenstedt. Da war die Entfernung zu Fuß ohne Probleme zu schaffen.

Zur Pause ging es auf den kleinen Schulhof. Die Plumpsklos, übern Hof befindlich, sind heute noch zu erahnen. „Eine Klingel hatten wir nicht. Der Unterricht ging nach meiner Uhr und nach Gefühl“, beschreibt Gisela Bode. Das Schöne an dieser Schulform auf dem Land sei gewesen, dass die Älteren den Jüngeren etwas beibrachten. „Die Kinder waren artig“, fügt sie lobend hinzu.

Sportunterricht habe es ebenfalls gegeben, auf dem Platz, den heute die Schützen für ihr Fest nutzen. „Ein alter Lichtmast diente als Schwebebalken. Es gab eine Weitsprunggrube und ein Reck“, erinnert sie sich. Medizinbälle seien aus der Schule für sportliche Aktivitäten mitgenommen worden. Und dann wurde nachmittags die Hortbetreuung angeboten. „Da habe ich Edith Braemer gewinnen können, diese Aufgabe zu übernehmen“, schildert die einstige Schulleiterin. In jener Zeit sei auch der Schulgartenunterricht aufgekommen. „In Richtung Römke haben wir von der Gemeinde eine Fläche bekommen. Eltern haben mitgeholfen, diese nutzbar zu machen. Den Kindern hat das Arbeiten im Garten viel Spaß gemacht“, berichtet sie. 1968, als die kleine Dorfschule in Abbendorf für immer schloss und es zum Lernen nach Diesdorf ging, wurde der Schulgarten nicht mehr gebraucht. „Wir haben die Fläche dennoch weiterbewirtschaftet“, sagt Dietrich Bode.

Der heute 75-Jährige ist den Abbendorfern zuerst auf dem Dach der Schule sitzend begegnet. „Das Dach war ziemlich marode. Da habe ich versucht, die schlimmsten Stellen auszubessern“, sagt er. Es habe so durchgeregnet, dass einige Werke von Goethe und Schiller, die im Klassenraum lagerten, nass geworden seien, ergänzt seine Frau. Die Ränder sind heute noch zu sehen, zeigt sie.

Dem Lehrerehepaar hatten es besonders die Türmchen auf dem Dach des Hauses angetan. „Als wir in den 1970er Jahren verreist waren, wurde es neu gedeckt und die Türmchen runtergenommen“, erzählt Dietrich Bode. Doch damit war dem Haus etwas von seinem Charme genommen. „Wir haben es 1991 gekauft. Im August 1998 haben wir das Hausdach neu eindecken und die neun Türmchen wieder aufbauen lassen. Aufzeichnungen dienten als Vorlage“, erzählt sie und fügt hinzu: „Wir finden es einfach schön, wenn das Gebäude in seinem Zustand belassen wird.“

Das Schulhaus, in dem seit 1892 unterrichtet wurde, sei ein Typenbau, den es mehrfach gebe. Die Diesdorfer und die Abbendorfer Schule seien vom gleichen Baumeister errichtet worden.

Als Bodes nach Abbendorf zogen, haben sie im Garten übrigens eine Hecke mit Maulbeerbäumen vorgefunden. „Es gab mal eine Anweisung, dass Lehrer Seidenraupen züchten sollen. Wir haben das aber nicht mehr gemacht“, erzählt Dietrich Bode. Die Scheune sei für die Landwirtschaft gedacht gewesen. Für Kühe, Hühner und Schweine habe es Ställe gegeben. Und einer der Vorgänger habe sich mit der Bienenzucht beschäftigt. „In der Scheune habe ich einen Bienenkorb entdeckt“, sagt Dietrich Bode.

An die Schule von einst erinnert heute noch die Inschrift über der Eingangstür. Und auch einige Utensilien aus der Lehrerzeit sind erhalten geblieben: ein Wissensquiz über Diesdorf, einige Landkarten. Der Lehrertisch ist über die Zwischenstation Alte Darre mittlerweile im Freilichtmuseum Diesdorf angekommen. „Es ist einfach ein Stück Geschichte, diese vier Jahre Mehrstufenunterricht in Abbendorf, die ich geben durfte“, sagt Gisela Bode.

In der Zeit habe sie das Schulhaus, in dem sie glücklich mit ihrem Mann und den drei Kindern war und ist, ins Herz geschlossen. Auch die zehn Enkel genießen es, auf dem großzügigen Areal in Abbendorf herumzutollen.

„Manchmal“, gesteht Gisela Bode, „träume ich noch von der Zeit als Lehrer. Es sind schöne Träume.“