1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. Ein Beruf, der unter die Haut geht

Tattoo Ein Beruf, der unter die Haut geht

Wie wird man Tätowierer? Darüber erzählt der Salzwedeler Matthis Graul bei einer Tasse Kaffee.

Von Alexander Rekow 20.03.2016, 01:00

Salzwedel l Bereits seit elf Jahren verschönert der 32-jährige Salzwedeler Matthis Graul die Haut seiner Kunden mit Farbe. Doch  was zeichnet diesen Beruf aus?

„Hey, wie magst du deinen Kaffee?“ Mit dieser Frage und einem breiten Lächeln empfängt Matthis Graul viele seiner Kunde und manchmal auch Zeitungsreporter in seinem Studio. Dort hängen keine Schmuddelbilder oder anrüchige Motive an den Wänden, wie es manch einer bei einem Tätowiergeschäft vermuten mag. Stattdessen besteht der Eingangsbereich aus einem hellen Raum mit gemütlichem Sofa. Nachdem die Kaffee-Frage geklärt ist, zeigt Matthis Graul sein Studio in Salzwedel. Doch wie wird man eigentlich Tätowierer?

Bereits in der Schulzeit entdeckte er seine Leidenschaft für das Malen. „Anfangs zeichnete ich nur für Freunde oder Bekannte“, blickt Matthis Graul zurück und fügt kleinlaut hinzu: „Auch den einen oder anderen Tisch und Stuhl habe ich in meiner Schule verschönert. Ich habe halt schon immer gern gezeichnet.“ Noch während seiner Schulzeit zog es Matthis Graul erstmals ins Tattoostudio. „Ich wollte mir ein Piercing stechen lassen, das war ein Jahr vor meinem Abi.“ Ab diesem Tag stand es für den gebürtigen Staßfurter fest, er will Tätowierer werden. „Meine Eltern waren nicht gerade begeistert. Ginge es nach ihnen, hätte ich studiert. Ich habe nach wie vor Interesse an Geschichte. Doch was hätte ich als Historiker machen sollen“, fragt er sich. „Wenn überhaupt, wäre ich statt Tätowierer Videospieldesigner geworden.“ Doch statt Videospiele zu designen, verwirklicht Matthis seit mehr als zehn Jahren seinen Traum und die Träume seiner Kunden. Er zeichnet Motive und bringt sie unter die Haut.

„In meinem Beruf hat sich unglaublich viel im Laufe der Jahre geändert. Wir sind keine Knastbrüder mit Anker auf dem Arm und auch bei Menschen im öffentlichen Leben haben sich Tätowierungen durchgesetzt, auch bei Schauspielern und Politikern. Tätowieren ist in der gesellschaftlichen Mitte etabliert. Der Beruf ist mit seinen Kunden anspruchsvoller geworden, sowohl künstlerisch als auch technisch. Ich muss den Leuten in den Kopf schauen“, erklärt Matthis Graul. „Viele Kunden kommen mit einer Idee, aber ohne konkretes Motiv. Dort muss ich im Gespräch herausbekommen, was der Kunde wirklich möchte.“ So unterschiedlich die Kunden sind, so unterschiedlich sind ihre Wunschbilder. So kann es auch mal sein, dass ein Kunde wegen einer verlorenen Wette im Studio erscheint. „Alles steche ich aber nicht. Verfassungsfeindliche Symbole oder grob Beleidigendes steche ich nicht. Manche Kundenwünsche sind auch nicht umsetzbar. Zuviel Kleinkram auf eine kleine Stelle geht nicht.“

Dass Matthis Graul sich in der Szene bereits einen Namen gemacht hat, zeigen seine Auszeichnungen. Vier Mal wurde er auf einer Tattoo-Messe ausgezeichnet. „Auf der Convention lernt man noch viel dazu“, schwärmt Matthis Graul, der bereits zwei Lehrlinge ausgebildet hat. „Die Lehrlinge durften sich auch an mir ausprobieren, wie will man das auch anders machen.“

Doch so sehr er seinen Beruf liebt, so sehr liebt er auch seine spärliche Freizeit. „Ich freue mich, wenn ich mal allein für mich zeichnen kann oder mit meinen Freunden eine Wand besprühe.“ Wie wenig Freizeit er wirklich hat, zeigt seine Arbeitswoche. „Viele glauben man steht 11 Uhr auf, geht ein paar mal die Woche auf Arbeit, trinkt drei bis vier Kaffee, tätowiert etwas und geht dann mit viel Geld nach Hause. So ist es aber nicht. Ich stehe um 8 Uhr auf, beginne gleich mit Zeichnen und tätowiere bis 20 Uhr“, lässt Matthis Graul in seinen Alltag blicken.

Doch auch danach hat er noch nicht Feierabend. „Am Abend checke ich die Mails, vergebe Termine und beantworte Fragen. Eigentlich habe ich nur Sonntag frei. Aber auch da bereite ich mich meistens auf Montag vor.“ Auf die Frage, wie und wann er dann Urlaub macht, beginnt er zu schmunzeln. „Nun ja, ich war seit meiner Schulzeit im vergangenen Jahr das erste Mal wieder im Urlaub. Ich bin nun mal selbstständig und das heißt selbst und ständig.“ Trotz alle dem wünscht sich Matthis Graul keinen anderen Job. „Ich werde das bis zu meinem seeligen Ende machen und auch in Salzwedel bleiben“, blickt Matthis Graul voraus und wünscht sich lediglich, öfter mal wieder ein Spiel des SV Eintracht Salzwedel zu besuchen.