Vernissage Wir sind Kunst!

Die Kunststiftung hat am Wochenende die Dauerausstellung „Broken Brushes“ im neuen Kunsthaus eröffnet.

Von Alexander Walter 18.01.2016, 02:00

Salzwedel l Es ist eine Ironie der Geschichte. Gut hundert Jahre nach Errichtung der alten Salzwedeler Mädchenschule im Stil kaiserlich-deutscher Pracht, haben ausgerechnet diejenigen das Haus erobert, die von der damaligen Kunstelite nur Ablehnung erfuhren. Seit Sonnabend können Besucher im neuen Kunsthaus die Grafiken heute berühmter deutscher Expressionisten wie Otto Dix, Paul Klee oder Wassily Kandinsky bewundern. Ihre Werke waren im Nationalsozialismus als „Entartete Kunst“ verfemt. Viele Künstler litten persönlich unter dem Regime.
Die Vernissage der Ausstellung unter dem bezeichnenden Titel „Broken Brushes – Als die Pinsel zerbrachen“ war auch für die Salzwedeler Kunststiftung das vorläufige Ziel eines steinigen Weges und ein persönlicher Triumph für die Initiatoren. Vor rund 200 geladenen Gästen, darunter der Leihgeber der Ausstellung, Gus Kopriva, sowie Mitinitiator Hans Molzberger, sagte Dietrich von Gruben am Sonnabend, man habe in den vergangenen fünf Jahre viel Kraft und Ausdauer beweisen müssen. „Dass es sich gelohnt hat, sehen wir heute“, sagte von Gruben. Ohne die Unterstützung von mehr als 300 Spendern und vielen Helfern wäre das Projekt nicht gelungen.
Als Dank überreichte der Vorsitzende der Kunststiftung Gus Kopriva und Hans Molzberger jeweils ein in Salzwedel entstandenes Bild. „Es soll nur ein Symbol für das Buch sein, das wir für euch vom heutigen Tag und der Ausstellung anfertigen lassen werden“, sagte er.
Die vergangenen Jahre seien nicht immer leicht gewesen, so der Initiator des Kunsthaus-Projektes weiter. Die öffentliche Diskussion über städtische Zuschüsse für das Kunsthaus hätte bei Stiftungsvorstand Achim Dehne und ihm Zweifel aufkommen lassen, ob das Kunsthaus überhaupt gewollt sei. „Erst haben wir überlegt, die Ausstellung abzusagen. Aber wir wissen, dass es gut ist und darum machen wir es“, sagte von Gruben. Es folgte lang anhaltender Applaus.
Das Kunsthaus selbst solle sich „evolutionär weiterentwickeln“ und der aktiven Kulturszene als Podest dienen, so von Gruben. Und er äußerte eine weitere Hoffnung: „Wir wünschen uns die Tourist-Info in unser Haus. Die Räume sind hergerichtet. Eine Tourist-Information mit einer solchen Ausstattung wäre ein Gewinn für die Stadt.“
Hans Molzberger dankte in seiner Ansprache Kunstsammler Gus Kopriva für die Leihgabe seiner Ausstellung an Salzwedel. „Es ist klasse, dass du das gemacht hast“, sagte er. Molzberger erinnerte daran, dass Kopriva die Sammlung schon einmal – vor fünf Jahren – für eine Ausstellung im Speicher in die Hansestadt gegeben hatte. Kaum ein Sammler hätte das unter den damaligen Umständen getan, nur Gus, sagte Molzberger. Ihm sei es zu verdanken, dass die Idee für das Kunsthaus überhaupt geboren wurde.
Kopriva selbst zeigte sich begeistert vom sanierten Kunsthausgebäude und der Stadt. „Ich wünschte, ich hätte ein solches Haus in Texas“, sagte der US-Amerikaner. Und er verriet, warum er die Ausstellung ausgerechnet nach Salzwedel vergab: „Das ist große deutsche Kunst in einer sehr feinen Stadt. To me deutsche Kunst ist Salzwedel“, erklärte Kopriva. Es folgte abermals langer Applaus.
Mit einem symbolischen Scherenschnitt wurde anschließend die Ausstellung eröffnet. In kleinen Gruppen durften am Abend zunächst geladene Gäste die Galerie besichtigen, bevor das Haus ab Sonntag auch für alle anderen Besucher geöffnet wurde.
Doch wie gefällt sie den Salzwedelern denn nun, die neue, hochkarätige Dauerausstellung in ihrer Stadt? Das letzte Wort soll an dieser Stelle Deutschlands älteste Buchhändlerin, die Salzwedelerin Helga Weyhe, haben: „Solch eine Qualität habe ich in Salzwedel noch nicht gesehen, das ist eine unglaubliche Ausstellung“, sagte die sonst als eher nüchtern geltende 93-jährige nach der Teilnahme an der Führung. Weyhe war 1941 übrigens eine der letzten Schülerinnen, die im alten Lyzeum ihr Abitur ablegten.
Das Kunsthaus-Team richtet den Blick derweil schon auf die Zukunft. Nächstes Ziel ist die Einrichtung einer Wechselausstellung im Frühjahr. Auch ein Musik- und Theaterprogramm ist in Planung.
 
Weitere Bilder von der Eröffnung der Dauerausstellung finden hier.