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WolfsangriffeDrei Attacken in einer Woche

Drei Mal schlug der Wolf in kurzer Zeit in der Altmark zu: er griff eine Schafherde bei Dähre an, bei Wolterslage und in Neuschollene.

Von Egmar Gebert 22.03.2017, 02:00

Dähre l Dienstag, 14. März: Fred Stoller wirkt gefasst, als er am Nachmittag vor den Überresten eines Damtieres steht. Der 53-Jährige weiß, dass der Wolf sich in der Region ansiedelt. Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, „wann er bei uns zuschlägt“. Auch ohne die fachmännische Beurteilung durch die Mitarbeiter des Idener Wolfskompetenzzentrums genügt dem erfahrenen Waidmann Stoller der Blick auf den Tierkörper, um sicher zu sein: „Das war ein Wolf.“ Andreas Berbig wird ihn wenige Tage später in dieser Überzeugung bestärken. „Vom Zustand des Kadavers her können wir nicht ausschließen, dass es ein Wolf war“, sagt der Rissbegutachter des Wolfskompetenzzentrums.

Fred Stollers Nachbar und Gehege-Partner Manfred Dahlke war an besagtem Dienstag nur eine Steinwurfweite vom Gehege entfernt auf die Hinterlassenschaft des Räubers gestoßen.

Die Stelle am Zaun, an der der Wolf in das Damwildgehege eingedrungen war, hat Stoller ausgebessert. In zusätzlichen Schutz investiert er nicht. Ein Elektro­zaun sei zu kostspielig, ein Untergrabschutz zu aufwendig. Er stellt sich stattdessen auf weitere Raubzüge in seinem Gehege ein. „Kann schon sein, dass ich dieses Hobby dann irgendwann an den Nagel hängen muss.“ Denn schlägt der Wolf bei ihnen zu, bleiben Hobby-Gehegebetreiber auf den Schaden sitzen. Eine finanzielle Unterstützung gebe es für sie in Sachsen-Anhalt nicht, sagt Stoller. Was ihm außerdem Sorgen bereitet: Der Beutezug vom 14. März lässt vermuten, dass der Wolf keine Scheu vor menschlichen Ansiedlungen kennt. Denn das Damwildgehege liegt am Dorfrand von Wolterslage, zum Wohnhaus der Familie Stoller ist es quasi nur ein Katzensprung.

Auch den scheint der Wolf in der Nacht zum Dienstag hinter sich gebracht zu haben. „Ganz sicher: Der war auf meinem Hof“, ist Stoller nach einem Kontrollgang über sein Grundstück überzeugt. Der Wolf rücke dem Menschen näher auf den Pelz.

Eine bittere Einsicht, zu der drei Tage später auch der Landwirt Volker Franke aus Neuschollene kommen muss. Wollbüschel, Reste von Rippen und der Inhalt des Pansens – das ist alles, was er am 17. März von einem seiner Lämmer findet. In der Nacht zum Freitag war der Wolf in den gleich neben dem Wohnhaus des Landwirts befindlichen Schafstall eingedrungen und hatte das 15 Kilogramm schwere Mutterlamm gerissen.

Dass es sich um einen Wolfsriss handelt, bestätigt auch Andreas Berbig nach seiner Begutachtung. Nur: Auch Falke wird für das Lamm keinen Cent Entschädigung erhalten. Die Koppel war nicht entsprechend gesichert.

Inzwischen hat der Neuschollener einen Elektrozaun aufgestellt, auch wird abends der Schafstall verschlossen. Die 16-köpfige Herde hatte Volker Falke von seinem verstorbenen Vater übernommen. Jäger haben ihm berichtet, dass es derzeit wohl schon um die 30 Wölfe in der Region gäbe. Zwei Rudel leben auf dem nahen Klietzer Übungsplatz und eines im Raum Kamern.

Auch in der Nähe des westaltmärkischen Dorfes Dähre wird er für einen Angriff auf eine Schafherde, der sich in der Nacht zum 15. März ereignete, verantwortlich gemacht. Zwei Tiere wurden dabei so schwer verletzt, dass beide Schafe getötet werden mussten. Und auch zu diesem Vorfall sagt Andreas Berbig: „Vom Ablauf des Geschehens her habe ich keinen Anlass, den Wolf als Verursacher auszuschließen.“ Mit der Hoffnung auf eine sichere Diagnose, sprich genetische Spuren eines Wolfes, hat Berbig hier Proben genommen, deren Auswertung in einem Fachlabor noch aussteht.

Drei derartige Attacken in einer Woche in der Altmark, das gab es bisher noch nicht. Zufälliges Zusammentreffen der Ereignisse oder Tendenz? Andreas Berbig will sich an solchen Spekulationen nicht beteiligen, sagt aber auch, dass eine Häufung von Wolfsangriffen ausgangs des Winters bereits in den Vorjahren beobachtet wurde. Im ganzen Jahr 2016 habe es 45 derartige Vorfälle gegeben, mehr als noch im Jahr zuvor. Das jedoch sei auch Folge des wachsenden Bestandes an Wölfen.

Wie weit der Wolfsbestand noch steigen werde oder dürfe, und wann denn eine stabile Wolfspopulation erreicht sein wird, die eine Bejagung des Wolfes rechtfertigen könnte, auch zu diesen Fragen hält sich der Mann vom Wolfskompetenzzentrum zurück.

Zahlenvorgaben seitens der Politik, der nicht nur Fred Stoller vorwirft, nichts zu unternehmen, um die ungehemmte und unkontrollierte Vermehrung und Ausbreitung der Wölfe einzudämmen, gibt es nicht. Andreas Berbig kann lediglich auf Studien verweisen, die davon ausgehen, dass ein Wolfsrudel eine Fläche von 200 Quadratkilometern benötige, und zu dem rechnerischen Ergebnis kamen, dass es in Deutschland für den Wolf geeignete und bevorzugte Territorien gebe, die Platz für 400 bis 450 Wolfsrudel böten. Wann diese Zahl erreicht wird sei ebenso spekulativ wie der Versuch einer Antwort auf die Frage, ob das verträgliche Maß nicht schon früher erreicht sein wird.