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Tiere Umsichtiger Bauer rettet seltene Rohrweihe

Florian Müller (21) ist begeisterter Naturfotograf. Auf einem Getreidefeld bei Glinde lichtete er die Beringung von Rohrweihen ab.

Von Thomas Linßner 13.08.2015, 17:39

Glinde l „Das haben wir eigentlich nur Lutz zu verdanken“, sagt Florian Müller. Damit ist Landwirt Lutz Röseler gemeint. Beim Mähen eines Weizenschlages bemerkte er, wie mehrere große Vögel ungelenk aus dem Getreide heraus hüpften und schnell wieder in Deckung gingen. Fliegen konnten sie offenbar noch nicht. Weil Röseler kein Bauer ist, der nur stur sein Ernteergebnis im Hinterkopf hat, machte er mit dem Mähdrescher einen großen Bogen um die Stelle. Und sagte seinem Kompagnon Helmut Fabian Bescheid, mit dem er zusammen nach der Wende als landwirtschaftlicher „Wiedereinrichter“ seine Existenz startete.

„Es war aufregend. Ich hatte diese Vögel noch nie so dicht in freier Wildbahn gesehen.“ Fabians Schwiegersohn in spe ist Florian Müller, der an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Biologie studiert und derzeit seine Bachelor-Arbeit an der Vogelschutzwarte Steckby schreibt. Und weil in Glinde die Kommunikation funktioniert, war Florian schnell zur Stelle. „Ich bin gleich mit dem Fahrrad hingefahren“, sagt der 21-Jährige. Wobei er nach Lutz Röselers Beschreibung sofort auf ein Rohrweihengelege tippte. „Es war aufregend. Ich hatte diese Vögel noch nie so dicht in freier Wildbahn gesehen“, gesteht der gebürtige Thüringer. Über den Ornithologen Stefan Fischer wurde der Akener Ingolf Todte verständigt, der einen Tag später ran war. Ganz früh am Morgen beringte er die drei Jungvögel; Florian fotografierte sich die Finger wund.

Röseler war nach dem Fund des Brutplatzes von einem Fachmann empfohlen worden, ein zehn mal zehn Meter großes Geviert Weizen nicht zu mähen. „Er hat nicht hundert Quadratmeter stehen lassen, sondern rund tausend“, zeigt Florian Müller anerkennend auf das Feld. Dort haben die drei jungen Rohrweihen noch immer ihre Kinderstube. Derweil Weihe eins und zwei schon munter durch den heißen Sommerhimmel flattern, tut sich Nesthäkchen drei noch schwer damit. „Deshalb ist es gut, dass die Vögel hier noch Deckung finden“, meint Florian. Die Eltern kommen immer wieder an diese Stelle zurück, um den Nachwuchs zu füttern.

Rohrweihen brüten im Alter von zwei oder drei Jahren zum ersten Mal. Sie führen eine monogame Saisonehe. Zuweilen haben Männchen auch mehrere Weibchen. Die meisten Nester werden im dichten Röhricht über Wasser erbaut. Seltener findet man die Nester im Raps oder im Getreide, wie es in Glinde der Fall ist. Der Unterbau besteht aus Altschilf und Reisig, die Nestmulde wird aus feinerem Material geformt. Den Großteil der Arbeit beim Nestbau übernimmt das Weibchen, das Männchen trägt aber Material ein.

Auf der Jagd suchen Rohrweihen in geringer Höhe ausgedehnte Schilfgebiete und Verlandungszonen sowie Ödland und extensiv genutztes Kulturland ab. Auch davon ist im Umfeld von Glinde reichlich vorhanden. Der 21-Jährige Florian beobachtet und zählt im Zuge seiner Bachelor-Arbeit die Zugvögel Neuntöter, die Gartenammer Ortolan und die Grauammer. Auch dabei läuft nichts mehr ohne moderne Kommunikationstechnik: „Die Befunde trage ich per Handy gleich in der freien Natur in Online-Karten ein“, sagt der Wahl-Glinder. Na dann „zri-zri-zri-zri-djü-djü-djü“, wie die Gartenammer begeistert zwitschern würde …