1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Im Fluss: Säge ja, Bagger nein

Hochwasserschutz Im Fluss: Säge ja, Bagger nein

Wie viel Platz braucht die Elbe? Eine Arbeitsgruppe will die Frage für die Umflut und die Alte Elbe beantworten. Fakt ist - ohne Säge wird es nicht gehen.

Von Katja Tessnow 19.10.2015, 17:07

Pretzien/Plötzky/Magdeburg l „Es ist eine komplexe und schwierige Materie. Weil jahrzehntelang wenig bis nichts an Unterhaltung erfolgte, hat sich ein wahres Naturparadies entwickelt“, räumt Armin Minkner ein. Er ist beim Landesamt für Hochwasserschutz (LHW) unter anderem für Rechtsfragen zuständig und sitzt nicht von ungefähr mit „im Boot“. Just hat die Bundesumweltministerin die Hoffnung von Teilen der Bevölkerung und der Stadtpolitik Magdeburg begraben, die komplette Elbestadtstrecke könnte aus dem europäischen Naturschutzreservat „Mittlere Elbe“ herausgelöst werden. Manche hatten sich davon freie Bahn für Bagger und Säge versprochen, aber so einfach – das sagt auch Minkner – wäre das auch nicht gewesen. Geschützte Arten sind geschützte Arten – mit und ohne Flora-Fauna-Habitat-Schutzstatus.

Von Bundesregierung bis Stadtverwaltung Magdeburg sind sich allerdings alle Seiten einig: Im Sinne des Hochwasserschutzes müssen auch Eingriffe in eine Naturschutzzone möglich sein – bei guter Begründung und bei Pflicht zu Ausgleichsmaßnahmen.

„Wir werden die Naturschutzverbände möglichst frühzeitig informieren und beteiligen“, geloben LHW-Chef Burkhard Henning und der in Magdeburg zuständige Beigeordnete Holger Platz unisono. „Wenn wir‘s nicht richtig oder zu grobschlächtig machen, treffen wir uns vor Gericht“, und zwar mit dem Naturschutzlager, weiß anderenfalls Nico Stiller und sein Kollege Lutz Vogel nickt. Die beiden Ingenieure und ihre Büros ergründen anhand von Durchflussmodellen und -analysen, wo Eingriffe in den Naturraum zum verbesserten Hochwasserschutz unvermeidbar sind – so sensibel wie möglich, so stark wie nötig.

Ihr erster Entwurf für besagten Unterhaltungsplan (er ist noch nicht öffentlich) sieht Eingriffe auf sage und schreibe 50 Hektar Fläche vor – Rodungen, Auslichtungen, auch sozusagen Umformungen von Bewuchs in der Umflut. „Wo er einen regelrechten Querriegel bildet, könnten wir an den Seiten für verbesserten Durchfluss sorgen und den Bewuchs in Fließrichtung ordnen“, sagt Vogel.

Fotos vom Hochwasser 2013 dokumentieren eindrucksvoll, wie sich ansonsten Treibgut am Buschwerk festsetzt und den Abfluss enorm behindern kann. „Verklausung“ nennen die Fachleute den Prozess, der im Flutfall fatale Folgen haben kann. Die Bereiche um die Haberlandbrücke bei Elbenau udn Plötzky, am Pechauer Siel und die Alte Elbe sind Beispiele für Standorte, an denen die Arbeitsgruppe Handlungsbedarf sieht. Ist in trockenen Tüchern, wo gelichtet und gerodet werden muss, soll dies regelmäßig geschehen.

Geteilte Auffassungen zwischen Stadt Magdeburg und Land gibt es offenbar nach wie vor zum Thema Baggern in der Alten Elbe. Der Beigeordnete Platz, zugleich oberster Katastrophenschützer in der Stadtverwaltung, verweist auf die Studie der TU Dresden: „Sie empfiehlt das Ausbaggern und erachtet die Effekte für den verbesserten Abfluss als hoch.“ Anordnen (und bezahlen) müsste den Einsatz der Bagger dagegen LHW-Chef Henning. Er sagt auf mehrfache Nachfrage: „Wir sehen das nicht, dass wir da regelmäßig ausbaggern und das Sediment wegbringen. Da geht es schließlich um ein paar Tausend Tonnen.“ Die DDR, so Henning, habe in der Alten Elbe übrigens mitnichten aus Gründen des Hochwasserschutzes gebaggert, „sondern weil billiges Baumaterial gebraucht wurde“. Im Idealfall hofft das LHW im Zuge der ringsum verbesserten Abflussbedingungen, dass der Fluss das Problem alleine löst, die Elbe das Sediment also selbst abträgt.

Gänzlich ausdiskutiert ist die Frage nach dem Bagger in der Alten Elbe aber offenbar noch nicht. „Wir reden über einen Unterhaltungsplan, der nicht heute und morgen, sondern für Generationen einen besseren Hochwasserschutz bringen soll“, sagt Holger Platz. Seine Fertigstellung wird nicht vor 2017 erwartet. Vorgezogene Arbeiten (Rodungen) sind allerdings geplant. In Gänze versprechen sich die Experten von der Umsetzung des Plans auf 50 Hektar Elbeland in und um Magdeburg herum eine Absenkung künftiger Hochwasserpegel „im Dezimeterbereich“, sagt Ingenieur Lutz Vogel.