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Künstler  Heinrich Huke malt mit Liebe zum Detail

Ein Künstler, der trotz seines großen Schaffens nicht berühmt wurde, ist Heinrich Huke senior aus Schönebeck. Ein Portrait seiner Kunst.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 21.02.2016, 10:00

Schönebeck l Hunderte und noch mehr Bilder lagert Heinrich Huke in seinem Haus in Schönebeck. Werke in Öl, Pastell und als Aquarell gemalt sowie Bleistiftzeichnungen werden hier ordentlich auf dem Dachboden und im ehemaligen Geschäftsraum von Huke aufbewahrt. Für den Besitzer sind das Werke, die er gern regelmäßig abstaubt - er hat eine große emotionale Bindung zu diesen Bildern, die Menschen, Gebäude und Landschaften aus der Region Schönebeck zeigen. Denn der Erschaffer dieser Vielfalt ist sein Vater - Heinrich Huke senior - gewesen. Auch wenn der Schönebecker bereits 1982 verstorben ist, so ist seinem Sohn noch heute die Gefühlswelt anzumerken, die er durchlebt, wenn er von seinem Vater erzählt. Heinrich Huke senior ist ein Künstler gewesen, der nie die Anerkennung erhalten hat, die er eigentlich verdient hätte. Dabei sind die Werke des 1907 geborenen Schönebeckers einfach nur eine Augenweide.

Huke senior war gelernter Maler. Nach seinem Kunstgewerbestudium in Magdeburg arbeitete er für das Junkerswerk in Schönebeck. „1945, zum Ende des Krieges, wurde er noch geholt“, sagt der Sohn. „Eigentlich sollte sein Chef eingezogen werden“, erinnert er sich. Sein Vater kehrte aus dem Krieg zurück - jedoch musste ihm ein Bein abgenommen werden. „Und mehrere Splitter steckten in seinem Oberkörper, die nicht operativ entfernt werden konnten“, erzählt Huke junior von den körperlichen Beeinträchtigungen, mit denen sein Vater ab da leben musste. Arbeiten konnte er nicht mehr. „Wir haben von seiner Rente gelebt“, sagt Heinrich Huke junior, der 1941 und dessen Schwester 1936 geboren wurde. Rund 90 Mark Rente habe der Vater nach seinem Kriegseinsatz erhalten. „Wenn man bedenkt, dass ein Brot damals 60 Mark gekostet hat, ist das nicht viel“, zieht der Sohn den Vergleich. Neben der Mutter, die arbeiten ging, verdiente der Vater zusätzlich ein wenig Geld durch Musikunterricht. „Er hat Konzertzither, Geige und Harmonium unterrichtet“, blickt der Sohn zurück. Er selbst hätte sich gern auch mehr der Musik gewidmet, das war aber von dem Vater nicht gewollt. „Er hat sich gewünscht, dass ich auch male“, sagt Heinrich Huke junior, der von seinen Eltern auch Heiner genannt wurde.

Alles, was Huke junior kann, hat er von seinem Vater gelernt. „Als Kind hat er mich immer mitgenommen, sehr oft haben wir gemeinsam am Elbufer gesessen und das selbe Motiv gezeichnet“, blickt er zurück. Gern habe er bei seinem Vater abgeguckt, gibt er mit einem verschmitzten Lächeln zu. Doch auch das scheint eine effektive Lernmethode bezüglich der Farbenlehre und der Perspektive zu sein. Und dann ging er einen ähnlichen Weg wie sein Vater: Er lernte an der Kunstgewerbeschule in Magdeburg. Daraus folgte eine Werbeagentur, die er bis Ende 2015 in Schönebeck geführt hat.

Privat hat er sich wie sein Vater dem Hobby Malen verschrieben. Doch im Gegensatz zu seinem Vater hat der Sohn ebenso im Auftrag gemalt. „Mein Vater wollte seine Bilder nicht verkaufen, er hat lieber für sich und uns, seine Kinder, gemalt“, erzählt er. Außerdem, so der heutige 74-Jährige, habe sein Vater Bedenken gehabt, dass ihm die eh schon zu geringe Rente gekürzt würde, wenn er seine Bilder verkaufe. Und die Einstellung des Künstlers hatte noch einen Vorteil: „So konnte er malen, was er wollte.“ Das war Einiges - und gleichzeitig sagt es viel über den Menschen Heinrich Huke senior. „Er konnte keinem in den Hintern kriechen“, sagt Heinrich Huke junior. Wenngleich das die verdiente Anerkennung schmälert. Huke senior nahm das Opfer auf sich. So erzählt es sein Sohn. „Er wollte nach dem Krieg als freischaffender Künstler arbeiten“, erzählt er. Bei der Beantragung in Halle wurde von dem jungen Familienvater verlangt, sozialistische Bilder zu malen. Das habe er versucht. „Er malte ein Bild, das Frieden zeigt, auf dem Fahnen geschwungen werden“, sagt er. Doch das habe den Künstler nicht zufriedengestellt, weshalb er es zerrissen haben soll. Damit zerstörte er ebenso seine Zukunft als freischaffender Künstler.

Dafür hat sich Heinrich Huke senior aus heutiger Sicht als Chronist betätigt. Denn fast täglich war der Mann draußen - trotz seiner Beinamputation mit dem Fahrrad - und zeichnete und malte. Jede Straße in Schönebeck, die Elbe und und und. Nichts war vor dem Mann, seinem Blick für das Detail und seine talentierten Hände sicher. Er dokumentierte beispielsweise den Bau der Elbbrücke. Und genauso hielt er jene Häuser, Windmühlen und Fabrikgebäude für die Ewigkeit fest, die heute nicht mehr stehen. Diese Bilder in Öl, Aquarell oder als Zeichnung sind Zeitzeugen. Zeugnisse, die an zwei Orten aufbewahrt werden. Ein Teil befindet sich in Berlin bei der Nichte von Huke junior. Der andere wird in Schönebeck gelagert.

Einen Teil von diesem künstlerischen Erbe hat er inzwischen digitalisiert. „Das ist sehr aufwendig“, sagt der Sohn. Manche Bilder hat er eingescannt, die größeren abfotografiert. Sortiert nach Ort oder Thema hat er zig Bilderordner auf dem Rechner. Es ist also nur ein Klick nötig, um sich die Schaffenskraft des Vaters in Ruhe anzusehen. Dabei merkt er bei manchen eingescannten Bildern, dass die Technik heute weiterentwickelt ist - man müsste das Original vielleicht erneut einscannen, überlegt er. Gleichwohl weiß der Sohn um die vielen Bilder, die noch gar nicht im Rechner gespeichert sind. Eine Aufgabe, die scheinbar nie ein Ende findet?

Dabei ist der Sohn selbst Künstler und verfügt demzufolge über eine eigene stattliche Sammlung. Im Gegensatz zu seinem Vater malt der Sohn nicht nur für das eigene Vergnügen. Als Firmengeschenke werden seine Werke beispielsweise gern gekauft. Aber auch Privatmenschen haben sich schon einen Huke junior an die Wand gehängt. So gesehen, ist aus dem Sohn irgendwie doch ein Künstler geworden - wenn auch nicht hauptberuflich. „Mein Vater war darüber nicht böse, aber ein wenig traurig“, sagt der Sohn rückblickend auf seine damalige Entscheidung, die Werbeagentur zu gründen. Letztlich war das Geschäft für ihn ein passender Ort, um seine Werke an den Mann und die Frau zu bringen. So ist es also, dass heute der ein oder andere über ein echtes Huke junior-Bild verfügt. Nur die des Seniors sind eher rar. Doch allzu schlimm ist das nicht. Denn seit 1996 schon organisiert Heinrich Huke junior in unregelmäßigen Abständen Ausstellungen mit Werken seines Vaters. Zuletzt wurde in der Großmühlinger Kirche eine Auswahl der Öffentlichkeit präsentiert, die Bilder dieses Bördeland-Ortes zeigte. Allein diese Schau beweist, wie oft Huke senior in der Region unterwegs gewesen ist und dass er sich immer wieder anderen Motiven gewidmet hat. Seine Bilder zeigen die Realität, auch wenn er sich in seinen späteren Jahren ebenso der modernen Kunst gewidmet hat. Doch die Landschaftsbilder zeigen genau das, was der Betrachter in natura sieht.