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Blick zurück Spuren der Volksgut-Liebe

An ihrem 55. Wiegenfest besuchte Carola Hager zusammen mit ihrem Ehemann Burkhard aus Möckern eine Stätte ihrer Jugend.

Von Thomas Linßner 05.03.2016, 17:01

Barby l Wenn es schon mit der DDR-Wirtschaft nicht so recht klappte, schmückte sich die kleine Republik aber wenigstens mit geschwollenen Berufsbezeichnungen: So gab es den Zootechniker/Mechanisator (heute Tierwirt), Facharbeiter für Fertigungsmittel (Werkzeugmacher), Facharbeiter für Tierproduktion, Spezialisierungsrichtung Rinderproduktion (Melker) oder die Facharbeiterin für Schreibtechnik (Sekretärin). Beim Adjustierer würde man meinen, ein Hochschulstudium abschließen zu müssen. Doch dieses Berufsbild beschäftigte sich mit der Sortierung und Verpackung von Waren. Heute ist nicht selten ein deutsch-englisches Kauderwelsch in Stellenanzeigen verwirrend. Oder wissen Sie, liebe Leser, auf Anhieb, was ein „Regional Sales Manager Full Service Internet Provider“ ist?

Zwei „Zootechniker/Mechanisator“ besuchten vor wenigen Tagen die Stätte ihrer Berufsausbildung und jungen Liebe. Carola Hager (55, geborene von Zweydorf) und ihr Mann Burkhard (56) absolvierten von 1976 bis 1878 die Betriebsberufsschule des Volksgutes. Sie stammen aus Magdeburg und lernten sich während der praktischen Ausbildung in Wörmlitz (heute Landkreis Jerichower Land) kennen. Der theoretische Unterricht fand damals mehrmals jährlich in Barby statt.

„Wir wussten gar nicht, dass auf dem Volksgutgelände eine Reha-Klinik steht“, gestand Carola Hager. „Ziemlich entsetzt sind wir über den Zustand des Herrenhauses. Das war doch zu DDR-Zeiten gut in Schuss“, fügte ihr Mann Burkhard hinzu. Darin hatte sich damals das „Internat I“ befunden; „Internat II“ war in der Pömmelter Straße. Auch dieses Haus (nach der Wende als Grundschule genutzt) ist heute eine Ruine. Der Unterricht fand in Baracken statt, die heute nicht mehr stehen.

Carola und Burkhard Hager absolvierten später in Wernigerode ein Agrar-Ingenieurstudium. Er war danach LPG-Produktionsleiter und betreibt heute eine Biogasanlage; Carola ist im Veterinäramt beim Landkreis tätig.

„Die Berufsausbildung in Barby war damals sehr gut“, erinnerten sich beide. Auch die Namen einiger Lehrer fallen ihnen heute noch ein. So zum Beispiel Lutz Jäger, der das Fach „Technische Grundlagen“ vermittelte. Überhaupt habe es in Barby nach der Schule ein „frohes Jugendleben gegeben“. So wurden Partys auf dem benachbarten Wasserturm gefeiert.

Dazu hatte man den Lehrer Klaus W. eingeladen, der „ein kleiner Charmeur“ war. Deswegen sei er besonders beliebt bei den Mädchen gewesen, die ja mit 17 schon mal Ausschau nach reiferen Herren hielten. „Uns ist das natürlich nicht entgangen“, feixte Burkhard Hager. „Deshalb haben wir uns was besonders für ihn ausgedacht.“ Ohne Wissen ihres „charmanten Lehrers“ hatten die Lehrlinge Klaus Ws. Gattin zur Party eingeladen, die dann auch wirklich etwas später auf dem Wasserturm erschien. „Sie können sich sicherlich vorstellen, wie der geguckt hat“, lachte Hager. Beide nahmen es jedoch mit Humor.

Bei ihrem Barby-Besuch machte das Paar auch einen Abstecher zum rustikalen Tanztempel „Rautenkranz“ und der „Meeting-Disco“ an der Caféecke, die es heute nicht mehr gibt.

„Eigentlich waren wir damals ja mehr von den Biolaborantinnen begeistert, die auch in unserer Schule ausgebildet wurden“, gestand der 56-Jährige augenzwinkernd. Da seien viele hübsche Mädchen dabei gewesen, die aus der gesamten DDR nach Barby kamen.

Auch so manch Barbyer wird diesen Satz unterschreiben ... Immer mal wieder blieb eine davon an der Elbe „hängen“.

Die Betriebsberufsschule des VEG (Tierzucht) Barby überlebte die Wende nur knapp. Nach dem Umzug in die Schönebecker Schifferschule werden die Lehrlinge heute im Schönebecker Berufsschulzentrum betreut.