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Geschichtsprojekt Wer war Heinz Mühlfriedel?

Ein Schülerprojekt ist für die Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof von Biere geplant.

Von Ulrich Meinhard 09.03.2016, 18:09

Schönebeck/Biere l Heinz Mühlfriedel hatte am 6. April Geburtstag. In jenem Jahr, als ihn die Wehrmacht einzog, wurde er 17. Ob er diesen Tag feiern konnte, ist nicht bekannt. Wie so vieles andere auch nicht über ihn. Die Inschrift auf seinem kleinen Grabstein verrät nur, dass der Junge zwölf Tage später gefallen ist. Gestorben für Führer und Vaterland, wie es damals hieß. Damals, im April 1945. In jenen Frühlingstagen schickten die Nazi-Größen noch einmal alles an Menschen Aufbietbare in das sichere Verderben. Alte Männer, halbe Kinder. Heinz Mühlfriedel gehörte zu einer Einheit, die gegen die amerikanischen Truppen geworfen worden ist. Wahrscheinlich starb er bei Kampfhandlungen im Raum Barby. Seine sterblichen Überreste ruhen auf dem Friedhof in Biere, zusammen mit 133 Schicksalsgenossen, die meisten von ihnen sind nicht älter als 17, 18 Jahre geworden. Von einigen ist nicht einmal der Name bekannt. „Unbekannter Soldat“, steht auf dem Stein. Gefallen April 1945. Drei Wochen vor Kriegsende.

Aber vielleicht bekommt Heinz Mühlfriedel jetzt ein Gesicht, das ihn aus der Anonymität von dunkler Geschichte, aus Krieg und Grauen herausholt, ihn als Menschen sichtbar macht. Vielleicht werden auch die anderen 133 Soldaten in ihren Biografien zuordbar. Dieser Aufgabe haben sich Schüler des Schönebecker Gymnasiums verschrieben, 13 und 14 Jahre sind sie alt. Am Dienstag besuchten sie die Kriegsgräberstätte auf dem Bierer Friedhof. Hier sind sie von Jan Scherschmidt und Armin Bethke in Empfang genommen worden. Der eine ist Geschäftsführer, der andere Bildungsreferent beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Sachsen-Anhalt. Mit ihnen im Bunde sind Holger Fettke vom Förderverein Biere und der ehemalige Lehrer Heinrich Wiemeyer. Der erklärt gegenüber der Volksstimme: „Herr Scherschmidt ist mit der Idee auf mich zugekommen. Daraufhin habe ich das Projekt im Gymnasium vorgestellt.“

Geschichtslehrerin Birgit Buresch musste nicht lange überlegen und rief sofort hier. Aus den achten Klassen suchte sie sich eine Gruppe wirklich interessierter und - wie sie betont - auch zuverlässiger Schüler.

Hanna Krause, Marvin Wagner, Magnus Zoch, Pauline Piehl sowie die Geschwister Lara und Eric Grube stehen nun vor einer durchaus hehren Aufgabe. Ihr erster Weg, so legt es Eric Grube im Gespräch mit der Volksstimme dar, werde sie in das Schönebecker Stadtarchiv führen. Vielleicht finden sich hier Aufzeichnungen oder Fotografien aus jenen Tagen. Ein weiterer Ansatz soll der Heimat- und Kulturverein Biere sein. Informationen dürften auch in den sage und schreibe rund 18 Millionen Karteikarten der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“ gefunden werden, die in Berlin Reinickendorf ansässig ist und aus der 1939 gegründeten Wehrmachtsauskunftsstelle hervorgegangen ist. Bildungsreferent Bethke will bei der Recherche unterstützen, doch die Hauptarbeit liegt bei den Schülern.

Als Ergebnis ihrer Nachforschungen sollen Informationstafeln gestaltet und in der neuen Trauerhalle auf dem Bierer Friedhof postiert werden. Von diesem Vorschlag ist auch Holger Fettke vom Bierer Förderverein angetan, der beim Vorort-Termin am Dienstag dabei ist.

Was die Schüler außerdem von Jan Scherschmidt erfahren: Die Kriegsgräberstätte in Biere ist vor zehn Jahren umgestaltet worden. Bis dahin erinnerten Holzkreuze an die gefallenen deutschen Soldaten. Da das Holz verwittert war, sind die Kreuze durch kleine Steinplatten ersetzt worden. Hier ruhen auch zu Tode gekommene Zwangsarbeiter, die damals in Schönebecker Betrieben zur Arbeit gezwungen wurden. Vielleicht sind auch Menschen darunter, die in Konzentrationslagern interniert waren und auf sogenannten Todesmärschen kurz vor Kriegsende starben. „Vielleicht. Das sollt Ihr jetzt herausbekommen“, legt Scherschmidt die Recherche in die Hände der Schüler.