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Abriss Aus für Calbenser Experimentalbau

Einst galt er als Vorzeigebau aus Gasbeton, der die akute Wohnungsnot lindern helfen sollte. Nach nur 43 Jahren wird er abgerissen.

Von Andreas Pinkert 06.04.2016, 01:01

Calbe l Es war eine Zeit des wirtschaftlich rasanten Aufschwungs in der Saalestadt. Mit dem Bau des Eisenwerks wurde mit der Neuen Wohnstadt ein ganzer Stadtteil binnen kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. 1964 begann der Bau der Eisenwerkstraße, wo erstmals mit Baukränen die Großblockbauweise zur Anwendung kam. Nach deren Fertigstellung war der Wohnungsbau in der Neuen Wohnstadt im Wesentlichen abgeschlossen.

Trotz des damaligen Baubooms gab es noch zahlreiche junge Arbeitskräfte, die der Stadt den Rücken kehrten. „Um dem entgegen zu wirken, erhielten die örtlichen Betriebe die Genehmigung, auf eigene Initiative Wohnungen zu bauen“, schreibt Heimatvereinsvorsitzender Uwe Klamm in einem Beitrag. Das ehemalige Metallleichtbaukombinat (MLK) war so ein Betrieb. Als Baustoff stand Gassilikatbeton (auch Porenbeton genannt) zur Verfügung. Anders als die Bezeichnung Porenbeton nahelegt, handelt es sich nicht um Beton im eigentlichen Sinne. Porenbeton enthält keine Gesteinskörnung wie Sand oder Kies. Die speziellen Eigenschaften des Materials sind gute Wärmedämmung bei geringem Gewicht.

Im Jahr 1973 wurde mit dem Block in der Karl-Marx-Straße 17 c/d der erste Wohnblock dieser Bauart seiner Bestimmung übergeben. Bei der Grundsteinlegung mit dabei war Rudolf Kramer. Mit der Kamera hielt der Calbenser den feierlichen Moment fest. „Hier baut das MLK-Werk Calbe in Eigeninitiative ein Haus mit 17 Wohneinheiten. Dieser Experimentalbau wird aus Gasbeton hergestellt. Termin für die Fertigstellung des Rohbaues: 31.12.1973“ steht auf einem großen Schild geschrieben. Im Hintergrund ist die ehemalige Fernwärmeleitung vom MLK-Kraftwerk in Richtung des Stadtkrankenhauses zu sehen.

„Man sieht auf dem Foto, dass in das Fundament des Wohnhauses vom damaligen Werkdirektor Schack eine Kassette eingelassen wurde“, sagt Kramer. Obwohl es lediglich 43 Jahre her ist, dürfte es zweifellos sehr interessant sein, was die Altvorderen der Nachwelt mitteilen wollten. Sicherlich hätten sie es sich zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen, dass dieses Haus einmal einem starken Bevölkerungsrückgang wieder weichen muss. An den heute viel beschworenen demografische Wandel war damals nicht zu denken.

In dieser Gasbeton-Bauart folgten in der Saalestadt ab 1975 weitere Wohnblöcke an der Salzer Straße, von 1977 bis 1982 am Brotsack und am Gribehner Weg, führt Uwe Klamm weiter aus, der übrigens selbst in der Karl-Marx-Straße 17 wohnte. Das MLK lotete weiter die Anwendungsmöglichkeiten für den Baustoff Porenbeton in Kooperation mit der Weimarer Hochschule aus.

Und was bleibt nach dem Abriss? Die freigewordene Fläche soll künftig mehr Platz bieten für Calbes Schulkinder. Die Stadt will das Freigelände der benachbarten Lessing-Grundschule perspektivisch erweitern.