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Wirtschaftsforum Rolle rückwärts nach vorn

Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft wollen Beziehungen zu Russland reaktivieren.

Von Ulrich Meinhard 27.05.2016, 19:13

Hohenerxleben l Das Hadern mit der großen Politik war deutlich zu spüren beim Deutsch-Russischen Wirtschaftsforum am Donnerstagabend auf Schloss Hohenerxleben. Wer der Einladung von Landrat Markus Bauer (SPD) gefolgt war, wollte auf jeden Fall das, was mit den Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland seit knapp zwei Jahren kaum noch möglich ist: Kontakte zum großen Land im Osten. Denn die sind insbesondere in Ostdeutschland (aber nicht nur hier) traditionell. Entsprechend formulierte es Markus Bauer in seinem Grußwort, als er sagte, dass das Forum dazu dienen solle, neue Wege zu eröffnen, und hinzu fügte: „So neu sind die Wege nicht.“

Der Einladung zum Forum gefolgt war als Ehrengast der Botschaftsrat der Russischen Föderation in Deutschland, Wadim Danilim. Er beschrieb den Status quo mit den Worten: „Wir sind in einer nicht eben einfachen Etappe der Beziehungen.“ Es gebe aber auch jetzt „sehr viele Ansätze zur Verbesserung der Situation“.

Einer dieser Ansätze liegt zweifellos in der Hochschule Anhalt begründet, denn hier studieren auch junge Russen (55 sind es derzeit). Zudem kann die Hochschule bis 2015 auf 21 Kooperationen mit russischen Partnern verweisen, zum Beispiel steht der Fachbereich Wirtschaft mit den Hochschulen in Perm und St. Petersburg im Austausch.

Unkonventionell lautete der Kommentar von Professorin Cornelia Scott, der als Aufruf an die Runde gemeint war: „Gerade in schweren Zeiten zusammenhalten.“ Mehr noch: Die Hochschullehrerin plädierte dafür, „antizyklisch zu handeln“. Eine der Stärken der Ostdeutschen sei doch, die russische Kultur, auch die russische Wirtschaft gut zu kennen. Die Sanktionen hätten die bilateralen Beziehungen um Jahre zurückgeworfen. Es wäre aber verheerend, in diesen Zeiten die Hochschulkooperationen „vor sich hin dümpeln zu lassen“.

Besonders hart betroffen durch die EU-Sanktionen sei der Maschinen- und Anlagenbau, sagte Dr. Markus Holz in seinem Impulsreferat. Holz ist Vorsitzender Geschäftsführer der ALD Vacuum Technologies GmbH mit Hauptsitz in Hanau. Der eingetretene Verlust werde die Branche über Jahre begleiten. Mit Blick auf die deutschen Behörden sprach er von einer „sehr engen Auslegung der Exportkontrollbestimmungen“. Eine der Folgen des Embargos in Russland sei, dass Waren, die bislang importiert wurden, nun selbst produziert werden. Dazu zählen technologische, aber auch landwirtschaftliche Erzeugnisse. Viele Landwirtschaftsbetriebe auch im Salzlandkreis seien durch den Ausfuhrstopp sogar in ihrer Existenz bedroht.

Der Botschaftsrat, der 35 Jahre lang quasi der Außenminister des Landes Moskau war (Moskau ist ähnlich wie Hamburg ein Stadtstaat), legte dar, wie sich die Marktwirtschaft in Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelt hat. Es seien schwere Fehler gemacht worden. „Russland hatte keine Erfahrung mit der Marktwirtschaft.“

Die Sanktionen selbst würden in Russland nicht als störend wahrgenommen, was hingegen deutlich spürbar ist, sei der begrenzte Zugang zum internationalen Finanzmarkt. Was in der Runde gut ankam, war die Versicherung des Diplomaten: „Wenn Sie bei uns auf der Straße fragen, wer der beste Freund Russlands ist, werden die meisten Leute Deutschland sagen.“

Die Aufrufe in der Runde waren deutlich: Aus der Wirtschaft, auch von den Wirtschaftsverbänden wie der IHK, müsse verstärkt Druck auf die Politik ausgeübt werden mit der Botschaft, die der Rechtsanwalt Andreas Silbersack so formulierte: „Wir brauchen den Partner Russland. Dringend.“ Die Zeit des kalten Krieges sei vorbei.

„Wir sind sehr daran interessiert, für unsere Firmen in Aschersleben die Wege zurück zu ebnen, die durch die Sanktionen, die uns gewisse Freunde aufgedrängelt haben, verloren gegangen sind“, sagte Matthias May, der Wirtschaftsförderer der Stadt Aschersleben. Er begrüßte das Zusammenfinden in dieser Form und regte eine Fortsetzung an. Auf der Ebene von Kommunen könne sich einiges entwickeln, unabhängig von den Vorgaben der großen Politik. „Wir sollten Interessengruppen zusammenbringen und eine Vorreiterrolle einnehmen“, so May. Er regte an, Russland könne doch ein Generalkonsulat im mitteldeutschen Raum etablieren.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch - übrigens ein gebürtiger Schönebecker - zeigte sich ebenfalls sehr interessiert an einer Neubelebung der bilateralen Beziehungen. Er nahm den Ball auf und sagte: „Vielleicht geht in dieser Hinsicht jetzt ein Impuls vom Salzlandkreis für das gesamte Land aus.“

Einig war sich die Runde, den begonnenen Dialog auf jeden Fall fortzuführen, etwa durch Präsentationen von Firmen und Erzeugnissen. Davon verspricht sich Caroline Krause „eine ganze Menge“. Die Geschäftsführerin der ck sales mit Sitz in Ranies unterstützt hiesige Firmen bei der Gewinnung von Wirtschaftsbeziehungen. Gern auch in Russland.