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Hochwasser Als Lebensmittel mit dem Kahn kamen

Vor 141 Jahren um diese Zeit stand Glinde nach einem Deichbruch unter Wasser. Daran erinnert eine Hochwassermarke am ehemaligen „Konsum“.

Von Thomas Linßner 01.03.2017, 17:29

Glinde l Es gibt eine Vorgeschichte, die dem Deichbruch vermutlich Vorschub leistete: 1875 war das Pretziener Wehr fertig geworden. Nach einem schneereichen Winter folgte im Februar Tauwetter. Die Elbepegel stiegen binnen weniger Tage um fünf Meter. Jedoch das Wehr, das Entlastung hätte schaffen können, wurde nicht gezogen. Eis hatte sich gegen die Schützentafeln gepresst, und so das Öffnen verhindert. Auch die Bauten am Umflutkanal waren noch nicht fertig.

1910 veröffentlichte der Schönebecker Heimatforscher W. Schernikau den Bericht eines Zeitzeugen in der Regionalzeitung: „Der Damm war schon lange Strecken weit durch Pfähle, Balken, Bretter, Dünger, Stroh, Erde und Sand erhöht worden. Diese Arbeit wurde ununterbrochen fortgesetzt. Dann erschall der Schreckensruf: ‚Zurück, zurück!‘ … der Damm wurde zuerst ein kurzes Ende, dann immer weiter fortgerissen, so dass schließlich etwa 160 Meter davon verschwunden waren … Das nun entfesselte Elbwasser strömte wild über die Felder hin und Glinde wurde seine erste Beute; schnell stand das Dorf unter Wasser, nur fünf Herde im Ort blieben soweit frei, dass sie benutzt werden konnten. Pferde und Kühe standen bis unter dem Leib im Wasser, man musste sie vorläufig stehen lassen, um erst die Schafe nach oben zu schaffen, d.h. einzeln auf den Armen hinaufzutragen. Für die Pferde und Kühe wurden in den Scheunen durch Balken und Bretter erhöhte Plätze hergerichtet. Die Schweine bekamen z.T. Quartiere, die sie nicht zu würdigen wussten, so wühlten z.B. beim Gastwirt Fritze die unartigen Gäste den ganzen Fußboden auf. Bei all diesem Wirrwarr und diesen eiligen Arbeiten wäre Hilfe von auswärts sehr notwendig und willkommen gewesen, jedoch wegen des Sturmes und des hohen Wellenganges war das Herankommen auf Kähnen gar nicht möglich. Da hieß es: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Er hat auch geholfen, kein Menschenleben ist bei der Überschwemmung verloren gegangen.“

Den zweiten Bericht schrieb Minna Spauke, die Frau des Glinder Schusters, 1956: „Am 23. Februar sind es 80 Jahre, als unser Dorf von einem Hochwasser in Gefahr kam.

Das Wasser strömte in unser Dorf, über den Hof und auch in die Häuser. Alles, was auf dem Hof stand, nahm der Strom mit. Es war gleich eines Wasserfalls. Manche Einwohner holten Handkähne von der Elbe, womit sie Bewohner retteten. Ein jeder musste sich ein Heim suchen und sie wurden untergebracht in hochgelegene Häuser, nämlich ins alte Pfarrhaus, in die alte Schule. Am schlimmsten erging es denen, die keine heizbare Oberwohnung hatten, die mussten zu guten Freunden und Verwandten, um sich ein bisschen warmes Essen zu bereiten. Im Dorf wurde Brot auf Vorrat gebacken. Das Wasser blieb vier Wochen hier. Da kam ein Kahn aus Mühlingen und einer von Gnadau mit Lebensmitteln, man nannte sie Liebesgaben. Auch der frühere Herr Amtsrat von Dietze zeigte ein gutes Herz, spürte Mitleid und nahm die Schulkinder in Verpflegung, bis das Wasser weg war. (Das geschah in Barby, die Kinder wurden geholt, d.Red.)

Wir wurden mit einem Kahn bis Monplaisir gefahren. Von da an gingen wir auf dem Damm nach Barby zu. Unser Dorf war ganz grundlos geworden. Des Abends konnte kein Mensch gehen. Die kleinen Löcher, die auf der Straße waren, hatte der Strom alle groß gerissen. Im Jahre 1878 und 1879 wurde der Elbdamm von Schönebeck bis Barby gebaut, und wir hatten nun kein großes Wasser mehr zu befürchten.

Ein paar Jahre nachher wurde unser Dorf gepflastert und es wurde etwas höher gelegt. Nun hatte unser Dorf ein ganz anderes Aussehen.“