1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Nur zu 93 Prozent integriert

Abgeordneter Nur zu 93 Prozent integriert

Am Gymnasium in Schönebeck war Karamba Diaby zu Gast. Der prominente SPD-Abgeordnete aus Halle sprach über Diskriminierung.

Von Jörn Wegner 01.03.2017, 05:54

Schönebeck l Zu Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke fallen Karamba Diaby klare Worte ein: „Da ist eine zivilisatorische Hemmschwelle gebrochen“, sagt der SPD-Abgeordnete aus Halle über Höckes mittlerweile allgegenwärtige Rede in Dresden, und: „Bei der AfD gibt es viele Rassisten. Höcke ist einer von ihnen.“

Karamba Diaby ist gern gesehener Gast in Talkshows und begehrter Interviewpartner, denn der Politiker aus Halle ist in Senegal geboren, zum Studium in die DDR gekommen und sitzt mittlerweile im Bundestag, gewählt in Halle.

Genossen aus dem Westen seien ihm anfangs mit Unglauben begegnet, erzählt Diaby am Dienstag Schülern des Dr.-Carl-Hermann-Gymnasiums in Schönebeck. Gerade in Halle, im Osten, wo es besonders viele rassistische Übergriffe gibt, wird ein Schwarzer gewählt? Klar, sagt Diaby. „Die Leute in Halle sind weltoffen, die haben mich gewählt.“

In der Gesprächsrunde mit den Schülern soll es um Diskriminierung und Rassismus gehen. Interessante Fragen stellen die Schüler. „Gibt es etwas, dass Sie in Ihrer Heimat vermissen?“, ist eine davon. „Meine Heimat ist Halle“, sagt Diaby, wissend dass eigentlich Senegal gemeint ist, und sorgt für Heiterkeit: „Ich bin nur zu 93 Prozent integriert.“ Was fehlt: das gute Essen aus Afrika und die deutsche Sitte, den Wetterbericht zu studieren, am Äquator mit immer gleichem Wetter ein unbekannter Brauch. „Ich gucke keinen Wetterbericht. Da schaltet mein Gehirn ab. Bei mir ist da was schiefgelaufen“, erklärt Diaby.

Ernster wird es beim Thema rassistische Übergriffe. Diaby hat selbst Gewalt erlebt. 1990, in den letzten Wochen der DDR, ist er in Halle als Student von Neonazis zusammengeschlagen worden. Heute finden die Übergriffe vor allem im virtuellen Raum statt, erklärt er. Gerade erst hat er 700 Euro an den Kinderschutzbund gespendet. Die Nachricht wurde unter anderem über eine Facebook-Gruppe verbreitet. „Der erste Kommentar war gleich ein Mordaufruf“, erzählt Diaby. Mittlerweile geht er konsequent gegen Hetze vor und erstattet Strafanzeige, wo es möglich ist.

Diabys Worte zur aktuellen Stimmung sind deutlich: „‚Der Islam gehört nicht zu Deutschland‘ ist ein Spruch gegen unser Grundgesetz“, sagt der Politiker. Und wiederholt oft die Botschaft: Es ist wichtig sich zu engagieren.

Das Beispiel liefert die Frage eines Schülers. Er will Diabys Haltung zur Inhaftierung des deutschen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei wissen. Diaby gehört zu einer Gruppe von Abgeordneten, die eine Resolution für die Freilassung Yücels unterzeichnet hatten. Er weist auf eine aktuelle Stunde in der kommenden Woche hin, die die Linksfraktion beantragt hatte. Diabys Botschaft zum Fall Yücel: „Erdogan aber auch Trump sind durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen.“ Dagegen könne man sich nur durch eigenes Engagement wenden.

Und man solle nicht über die Stöckchen der Rechstpopulisten springen. Zwei Scheinthemen nennt Diaby dabei: Burkaverbot und Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft. „Wer von euch trägt eine Burka, in Sachsen-Anhalt?“, fragt der Politiker in die Runde. Vor einigen Monaten habe er zum ersten Mal eine Burka gesehen, im Transitbereich des Flughafens Istanbul. „Totaler Quatsch“ sei auch die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. „Hätte ich noch die senegalesische Staatsbürgerschaft, würde das an meiner Loyalität nichts ändern.“

Diabys Position zum Burkaverbot findet zumindest in der Landtagsfraktion der SPD keine Mehrheit mehr. Am Donnerstag will die Koalition beschließen, gegen Vollverschleierung in Sachsen-Anhalt vorzugehen. Den Anstoß dafür gab die AfD.

In einigen Fragen können Diaby die Schüler nicht knacken. Auf die Frage, welche Koalition er nach der Bundestagswahl bevorzuge, bleibt er bei der üblichen Sprachregelung. „Es gibt keine Koalition mit der AfD, das kann ich unterschreiben“, sagt Diaby. Ansonsten werde mit allen demokratischen Parteien gesprochen.