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Armeezeit Barbyer mobilisiert Matrosen

Es gibt Leute, für die war der Grundwehrdienst in der NVA ein Horror. Zu denen zählt der Barbyer Reinhardt Kraus mit Sicherheit nicht.

Von Thomas Linßner 26.08.2016, 16:25

Barby l Reinhardt Kraus diente 18 Monate in einer Flugsicherungskompanie der Volksmarine in Stralsund-Parow. Hier war eine U-Bootjagd-Hubschrauberstaffel stationiert, die vom Boden geleitet wurde. Im Gegensatz zum Mucker-Dienst (Mot-Schützen, Infanterie) hatten die Matrosen eine technische Verantwortung, wurden dementsprechend behandelt. Auch war die Einheit von überschaubarer Größe, kein militärischer Moloch, wie beispielsweise Eggesin oder Brandenburg-Hohenstücken.

Für die Matrosen in ihren schmucken Uniformen war zum Beispiel ein „Muckerlöffel“ kein Thema. Damit war der zusammenklappbare Feldspaten gemeint. Die Mucker mussten sich damit oft auf dem Truppenübungsplatz eingraben.

Worunter die meisten Grundwehrdienstleisteten litten, war die sogenannte EK-Bewegung. Meist ungestraft wurden die Soldaten jüngerer Halbjahre drangsaliert und schikaniert. Auch als Wiedergutmachung für die selbst als „Frischling“ erlittenen Demütigungen wurden die neuen Soldaten zum Stiefelputzen, Reviersäubern, Essenholen und vielen anderen Dingen gezwungen.

„Das hörte nach einem tödlichen Unfall bei uns auf“, erinnert sich Reinhardt Kraus. Der Spieß habe nur auf Ordnung und Sauberkeit Wert gelegt. Dennoch gab es so schräge Vergnügungen wie EK-Kugel rollen. Dabei handelte es sich meist um eine einfache Kegelkugel oder Hanteln vom Sportplatz. Die Kugel wurde über den langen, meist gefliesten Kasernenflur gerollt, was im ganzen Haus polterte, als würden die Russen kommen. Grund: Übermut und Freude der EK, dass der Wehrdienst in absehbarer Zeit vorbei ist.

Eine andere „Belustigung“ war die „Musikbox“. Ein Soldat wurde in den Spind gesperrt, dann warf man in die Luftschlitze 20-Pfennig-Münzen und wünschte sich ein Lied, das der arme Kerl im Schrank singen musste ...

Nach 40 Jahren schlugen bei Reinhardt Kraus die „guten alten Zeiten“, die aus damaliger Perspektive freilich nicht immer so gut waren, wieder durch.

Bei einem zufälligen Besuch in Genthin erinnerte er sich seines alten Kumpels Hardi, der dort wohnt. „Bei dem Spontanbesuch entstand die Idee, dass wir die anderen Kameraden ausfindig machen und ein Treffen organisieren“, erzählt der Barbyer. So kam es im August 2013 zum ersten Beisammensein mit fünf Matrosen und dem Korvettenkapitän in Stralsund. Der alte Volksmarine-Standort wird heute von der Bundesmarine genutzt. „Wir hatten Glück. Dort war gerade Tag der offenen Tür, und wir konnten sogar im Gästehaus unserer alten Einheit übernachten“, erinnert sich der 64-Jährige. Dabei wurden natürlich wieder die „alten Schoten“ aus dem Gedächtnis gekramt. Nach 23 Wochen gab es zum ersten Mal Urlaub, der „Paragraf 3066“ beschäftigte sich mit Alkohol während der Dienstzeit, die Kneipe hieß „Wilder Paul“, die Zeit im Bau (Arrest) betrug neun Tage ...

Und wie war es mit den Damen? Die jungen Matrosen in ihren schicken Uniformen hatten schließlich „mehr Optionen“, als die Genossen in Feldgrau! Reinhardt Kraus grinst: „Ach die Mädels in Stralsund waren eher scharf auf Offiziersschüler.“

Seit dem treffen sich die Ü-60-Männer alle Jahre wieder. Auch in Barby wurde 2014 volksmaritimes Seemannsgarn gesponnen. Das nächste ist in Arbeit.