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Vorwurf Salzlandkreis will 400.000 Euro zurück

Um 400.000 Euro soll ein Bildungsträger den Kreis und das Sozialministerium betrogen haben. Es geht um Bildungsmaßnahmen für Erwerbslose.

Von Jörn Wegner 02.03.2017, 06:01

Bernburg l 407.527,90 Euro – so hoch ist die Summe, um die sich derzeit der Salzlandkreis mit einem Bildungsträger aus Dessau streitet. Dieser hatte in der Vergangenheit Bildungsangebote für Erwerbslose organisiert. Das Jobcenter des Salzlandkreises, das für die Betreuung der Erwerbslosen im Arbeitslosengeld-II-Bezug (ALG2, „Hartz IV“) zuständig ist, hatte Bildungsgutscheine ausgegeben, mit denen die für Erwerbslose verpflichtenden Maßnahmen bezahlt wurden. Die Kreispolitik will nun darüber entscheiden, ob sie das Geld auf dem Gerichtsweg zurückfordert. Das dem Landkreis unterstehende Jobcenter hat einen entsprechenden Antrag an den Kreistag gestellt.

Der Vorwurf: Bei Kontrollen im Jahr 2015 bei einer Veranstaltung des Bildungsträgers in Schönebeck habe es „erhebliche Mängel“ gegeben. Um welche Mängel es sich genau handelt, ist nicht bekannt, die Kreisverwaltung gibt darüber auch keine Auskunft. Der Vorgang wird bislang ausschließlich hinter verschlossenen Türen in den Ausschüssen des Bernburger Kreistags behandelt. Die entsprechende nicht öffentliche Beschlussvorlage liegt der Volksstimme vor.

In dieser heißt es, dass dem Bildungsträger nach Bekanntwerden der Mängel die Zertifizierung entzogen wurde. Das Unternehmen habe allerdings weiterhin unerlaubt mit der Zertifizierung geworben und „Maßnahmen“ für das Jobcenter angeboten.

Der Geschäftsführer des Unternehmens sagt gegenüber der Volksstimme, dass er nicht wisse, was ihm konkret vorgeworfen wird. „Mir ist nicht bekannt, welche konkreten Vorwürfe der Salzlandkreis bzw. das Jobcenter gegen mich derzeit erheben“, ist seine Antwort auf eine Anfrage der Volksstimme. Auch die derzeit diskutierte Beschlussvorlage sei ihm nicht bekannt.

Er gehe zudem davon aus, dass die Ermittlungen eingestellt werden. Durchsuchungen habe es nicht gegeben, auch sei er bisher nicht als Beschuldigter befragt worden.

Über den Inhalt der damaligen Maßnahme mit dem Titel „Orientierungscenter plus“ will der Geschäftsführer nichts sagen. Das sei in seinem Unternehmen „grundsätzlich“ so üblich. Auch die Kreisverwaltung verweigert jede Auskunft über die Inhalte der aus Steuermitteln finanzierten Angebote.

Das Bildungsunternehmen habe seinerzeit zudem gegenüber den Behörden Stellung bezogen. Er habe dabei die Beanstandungen „ausgeräumt“, sagt der Geschäftsführer. Seitens der Kreisbehörde habe es daraufhin keinen Widerspruch gegeben.

Betroffen ist auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. In den Jobcentern arbeitet es mit der Kreisverwaltung zusammen und finanziert entsprechend die Maßnahmen mit. Das Ministerium wirft dem Bildungsträger ebenfalls die „nicht zweckentsprechende“ Verwendung von Geldern vor.

7848 Personen haben im Januar 2017 im Salzlandkreis Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, sprich „Hartz IV“, bezogen. Für Eingliederungsmaßnahmen sind im Kreis seit 2013 jährlich zwischen 19,7 und 20,4 Millionen Euro ausgegeben worden. Der Anteil, der direkt an die Bildungsträger geflossen ist, ist von 11,7 Millionen im Jahr 2013 kontinuierlich auf 12,4 Millionen Euro 2017 gestiegen, obwohl sich die Zahl der Erwerbslosen deutlich verringert hat. Bundesweit lagen im Jahr 2016 rund 4,5 Milliarden Euro für die Finanzierung dieser Maßnahmen bereit.

Allein über die Vergabe von zehn „Maßnahmen“ an freie Träger hatten die Mitglieder des Betriebsausschusses Jobcenter in der jüngsten Sitzung am 1. Februar zu entscheiden – hinter verschlossenen Türen. Die Angebote tragen Namen wie „Neue Chance“, „BewerberCafé“ oder „Blick nach vorn“. Wer an einer solchen Maßnahme teilnimmt, fällt aus der Erwerbslosenstatistik heraus.

Die Inhalte der Maßnahmen können höchst unterschiedlich sein. Sie reichen von handfesten fachlichen Fortbildungsangeboten bis zur beaufsichtigten Freizeitgestaltung. Gerade letztere Angebote stehen immer wieder in der öffentlichen Kritik. Zuletzt hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die Programme „nur zufällig erfolgreich“ seien. Systematische und effiziente Fortbildung finde nur selten statt. Der Bundesrechnungshof verwies darauf, dass die Eingliederungsmaßnahmen zwischen 700 und 6000 Euro pro Kopf kosten würden. Kritik übte die Behörde nicht nur an den Maßnahmen selbst, sondern auch an der Verwaltung in den Jobcentern. So würden sich Vermittlungsversuche nach einer neuen Qualifizierung der Betroffenen nicht ändern, neu gewonnene Abschlüsse oft nicht in den Datenbanken hinterlegt und die Teilnehmer der Maßnahmen generell nicht ausreichend betreut.

Nach mehrfacher Anfrage der Volksstimme gibt die Kreisverwaltung Zahlen zur Erfolgsquote der Eingliederungsmaßnahmen heraus. 25 Prozent der Teilnehmer der Maßnahmen würden innerhalb eines halben Jahres in sozialversicherungspflichtige Arbeit kommen, so die Auskunft aus Bernburg.